Forst: Flucht im Spielzeughubschrauber
Bilder aus der alten Neißestadt Guben | Von CGA Verlag | 17. April 2014
Kindergarten „Meister Nadel-öhr“, Marcelli-Nowotko-Straße heute Uferstraße
Kindergarten in der Uferstraße sorgte für spektakuläres Aufsehen
Was sich in der Villa zur Zeit der Aufnahme befand, war für viele Gubener eine leichte Aufgabe. Thomas Worbs löst am Telefon: „Ich bin selbst in diesen Kindergarten ‘Meister Nadel-öhr’ von 1957 bis ‘61 gegangen. Besonderheit war der große Balkon, der hatte einen breiten Sims. Dort sind wir Kinder – zum Ärger der Erzieherinnen – spazieren gegangen. Später wurden die Balkontüren aus Sicherheitsgründen fest verschlossen. Das Bild stammt aber vom Anfang der 1970er-Jahre. In den 70ern wurde dort ein ausgedienter Hubschrauber zum Spielen für die Kinder abgestellt. Aber in langer heimlicher Arbeit wurde er wieder aufgebaut, um damit in den Westen zu flüchten. Der Hubschrauber wurde tatsächlich auch gestartet, kam aber nicht durch die großen Baumkronen hindurch. Der Sicherheitsdienst von Stadtverwaltung und Sparkasse schräg gegenüber hatte das Treiben mitgekriegt und die Polizei alarmiert. Damit war alles vorbei.“
Auch Wolfgang Teske schreibt diese Hubschraubergeschichte: „Dieser ehemalige Kindergarten in der Uferstraße gegenüber des damaligen Rates der Stadt und des Kreises erlangte damit aber nicht die Berühmtheit wie der Hauptmann von Köpenick, aber ebenso frech geplant und ausgeführt. Der Mann kam aus Tauer. Man konnte natürlich über den gescheiterten DDR-Fluchtversuch schadenfroh lachen, musste aber vorsichtig sein, nicht selbst in Gefahr zu geraten, verhaftet zu werden.“
Etwas weiter in der Historie holt Gerhard Gunia aus. Er schreibt: „In der Villa Uferstraße 27 des einstigen Spediteurs Gustav Tamm befand sich laut Einwohnerbuch um 1939 das Geschäftszimmer des Infanterie-Kommandos 3 als zentrale Wehrmachtsdienststelle für Guben. Standort-Öltester war von 1938 bis 1940 Generalleutnant Paul von Hase, der zugleich die Villa Uferstraße 11, heute Ludwig-A.-Meyer-Haus, bewohnte. Im Gubener Heimatkalender von 1994 ist dazu ein Foto veröffentlicht. Ihm unterstanden mehrere Infanterie-Regimenter der Komplexe Moltke-Kaserne, Mückenberg I bis III und andere. Von Hase, später Stadtkommandant von Berlin, wurde im August 1944 als Verschwörer des 20. Juli hingerichtet. Sein Nachfolger war Oberst Steltzer, über den keine weiteren Angaben vorliegen. Die Villa war bereits seit 1946 städtischer Kindergarten, seit 1971 ‘Meister Nadelöhr’.“
Edith Bröck erinnert sich: „Lilo Bäro und Frau Flanz waren in dem Kindergarten Leiterinnen. Ich hatte meine Enkeltochter zwei Jahre vor ihrer Einschulung dort im Kindergarten.“
An Frau Bäro kann sich auch Ilse Jesche erinnern. Sie erzählte am Telefon: „In dem Kindergarten habe ich auch eine Zeit lang gearbeitet. Wir hatten einen schönen großen Hof für die Kinder. Rund 80 Kinder wurden in der Villa betreut. Eins meiner Kinder war auch hier. Die kleinen Fenster des Hauses gehörten zur Küche. Die großen Fenster zu Gruppen- und Schlafräumen. Links das angrenzende Gebäude gehörte zum KIB. Ich kann mich erinnern, dass wir gegenüber Lagerräume vom KIB nutzten. Dort hatten wir in den 60er-Jahren ein altes Funkgerät entdeckt. So eines mit Röhren. Wofür das verwendet wurde, wäre interessant. Aber das ist eine andere Geschichte und gehört ja nicht zum Kindergarten. Zu erwähnen ist noch, dass sich mein Mann in Kriegszeiten in dieser Villa melden musste, wenn er nach Hause kam. Dort könnte eine Art Meldestelle der Armee eingerichtet gewesen sein.“
Vielen Dank allen Rätselfreunden. Ein historisches Bild gewinnt diese Woche Thomas Worbs. Glückwunsch!
