Unsere deutsche Einheit
Kommentare | Von CGA Verlag | 2. Oktober 2014Wenn Michael Diestels Telefon klingelt, spielt es die Nationalhymne. Die der DDR. Noch immer. Der Leipziger Bürgerrechtler und letzte Innenminister der einzigen frei gewählten DDR-Regierung schwärmt für Eislers Melodie und den „unglaublich schönen“ Text von Johannes R. Becher. Und damit liegt der sonst etwas windige Rechtsanwalt richtig. „Lass uns dir zum Guten dienen – Deutschland, einig Vaterland.“
An diesem Freitag ist Tag der Deutschen Einheit. Ein Feiertag, der uns – hüben wie drüben – nicht so recht ins Herz hinein will. Trotz großer Einheitsfeiern, in diesem Jahr zentral in Hannover – es fehlt ihm die Seele.
Dabei saß hier die Sehnsucht zur Einheit immer tief in den Menschen. Nicht erst am Schluss der Honecker-Aera wurde solches Sehnen zur Gefahr für das System der Betonköpfe. Das strauchelnde Land unterdrückte den Text seiner eigenen Hymne: „Alte Not gilt es zu zwingen, und wir zwingen sie vereint!“
Die elementare Nachkriegsnot ward bezwungen, ein soziales Staatswesen geschaffen. Aber die russisch befohlene Diktatur wucherte sich aus zum deutsch-preußischen Drill. Eine Nomenklatura trank Büchsenbier aus dem Westen, der Jänschwalder Kumpel die Cottbuser Plürre. Das hatte nun nicht mehr viel zu tun mit „Glück und (innerem) Frieden“ aus der zweiten Strophe der Hymne.
Dieser Frieden – er ist uns noch nicht gelungen. Das Zusammenwachsen dauert, aber die Aufgabe, die dabei zu bewältigen war und bleibt, hat auch beispiellose Größe. Üben wir also Toleranz und bemühen wir uns unverzagt. „Denn es muss uns doch gelingen, dass die Sonne schön wie nie über Deutschland scheint.
Über Deutschland scheint.“ von Jürgen Heinrich