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Wir müssen unser Wissen zurücknehmen

Feuilleton | Von | 6. März 2015

Die Neue Bühne Senftenberg verläuft sich im Irrenhaus / Anmerkungen zur Premiere „Die Physiker“:
Senftenberg. Wer gedankenversunken, womöglich belesen mit Dürrenmatts 21 Stück-Thesen im Hinterkopf, in den weichen Theatersessel fällt, schreckt sogleich hoch: Schrilles Kreischen, Blaulicht, Polizeieinsatz! Aber dabei bleibt’s dann zunächst. Ein unentschlossen rumstehender Inspektor (Friedrich Rößiger, reine Fehlbesetzung) und seine Helfer zeigen kaum Interesse am Mord in diesem schönen weißen, klassizistischen Haus, das Ausstatterin Gundula Martin gebaut hat. Elegante Treppen  winden sich herab. Auch wenn nicht klar ist, wieso alle Neuankömmling von oben in eine Beletage hinabklettern – es verwirrt und sieht doch nett aus; erst ganz am Schluss enthüllt sich der Sinn, warum drei Türen in einen einzigen kleinen Rundraum führen. Aber soetwas muss ja nicht stimmig sein – schließlich befinden wir uns in Dürrenmatts Irrenhaus.
Und so geht es dann hier auch zu. Turbulent wie bei tatsächlich Bekloppten, die Fangen spielen und Sätze sagen, die mit dem Verhalten kaum etwas zu tun haben. Das sieht nach Klamauk aus und ist es auch, jedenfalls bis zur Pause. Da bleiben die feinen Nuancen, die auf Hintersinniges schließen ließen, vollkommen aus, und dort wo sie versucht werden, wie in der Figur der Chefin des Hauses (Eva Kammigan), kommen sie doch etwas plump daher.
Rudolf Koloc hat diesen Zweiakter inszeniert und dürfte nicht sonderlich glücklich damit sein.  Die Fragestellungen, die in dem einer anderen Zeit zugeordneten Stück schlummern, nämlich der akuten Atomgefahr aus Kaltem Krieg der frühen 60er Jahre, sind nur im Text des Programmzettels plakativ auf andere ethische Grundfragen projiziert. Das versprochen Abgleiten ins Absurde findet nicht statt, weil allein das Irrsein Gestalt findet. Da produziert sich vor allem Heinz Klevenow, als eingebildeter „Newton“ auf dünnen Beinen im barocken Puderrock (Kostüme: Barbara Schiffner) tänzelnd und der Flasche ergeben, ganz fabelhaft. Tom Bartels stellt ihm einen spitzen, impulsiven „Einstein“ entgegen. Wodka oder Whisky – darauf reduziert sich ihr Gelehrtenstreit. Den tieferen Grund erfährt der Zuschauer später.
Kernfigur des Dilemmas der Wissenschaften, die menschlicher Vernunft zu entgleiten drohen, ist Möbius im Banne des Aufklärer-Königs Salomo. Den gestaltet Robert Eder so, als sei er gerade einem BTU-Institut gleich um die Ecke entlaufen. Schön sinnlich seine Schmusereien mit der anschmiegsamen Schwester Monika (Marlene Hoffmann), aber sein „salomonischer“ Satz: „Wir müssen unser Wissen zurücknehmen“, klingt dann doch eher so, als traue er sich nicht recht, beim Dekan um mehr Gehalt ersuchen. Vieles bleibt unstimmig in diesem Krimi aus Wissenschafts-Ethik, Spionage, Korruption und schierer Machtgier. Die ist plötzlich in das oben schon erwähnte Fräulein Doktor, die Klinikchefin also, gefahren, und so verwandelt sich die zwischendurch gitterreiche Villa ganz wundersam in eine Art Enterprise-Raumschiff, und die nun als oberirr Enttarnte startet, ungeachtet ihrer dahingemordeten Krankenschwestern und zurückbleibenden Bodygards, in Richtung Andromedanebel.
Sehr nebulös das Ganze. Aber doch recht kurzweilig. Den Schwestern und besonders auch den Kindern kann gutes Spiel bestätigt werden, auch Oberschwester Marta, findet mit Marianne Helene Jorden eine, wenn auch etwas jugendlich-kecke Respektsperson.
Heute gibt’s wieder „Die Physiker“, dann am 21.3. (jeweils 19:30 Uhr) und am 23.3. um 10 Uhr.                    J. Heinrich



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