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Senftenberg: Auch ich habe meine Texthänger

Senftenberg & Seenland | Von | 28. August 2015

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Heinz Klevenow in der Requisite der NEUEN BÜHNE. Mit seinem Engagement verhalf er dem Theater zu neuem Leben und rettete es, über die Wendezeit hinaus Foto: S. Rasche

Erinnern mit Heinz Klevenow – Intendant, Regisseur und Schauspieler:
Vor rund 60 Jahren war eine Theaterkarriere für Heinz Klevenow weit entfernt von dem, was er sich für sein Leben vorstellen wollte. Doch oftnehmen Biografien ungeahnte Wendungen. Und so prägten die Schauspielerei und sein Wunsch, seinem Leben durch den Umgang mit dem Theater eine neue Richtung zu geben, seinen seinen späteren Weg. Als langjähriger Intendant führte er die NEUE BÜHNE in Senftenberg in einer politisch bewegten Zeit und ist ihr bis heute treu geblieben. Yvonne Simon-Redlich traf sich mit ihm zum Sommer-Interview.
Sie haben in dieser Woche 75. Geburtstag. Schauen Sie zurück oder auch etwas nach vorn?
H. KLEVENOW: Weder noch. Ich bin jemand, der eher im hier und jetzt lebt. – Ich bin froh, gesund zu sein und das tun zu können, was ich aktuell tue.
Ursprünglich hatten Sie ja mit der Schauspielerei eher wenig am Hut. Sie haben eine Ausbildung zum Landmaschinenschlosser absolviert.
Zum Landmaschinen- und Traktorenschlosser (lacht). Nach der Lehre habe ich zwei Jahre in dem Beruf gearbeitet. Obwohl es familiär zahlreiche Berührungspunkte mit dem Theater und Schauspiel gab, hat mich das Ganze damals nicht interessiert. Ich wollte lieber draußen rumstromern, habe gebastelt, mir ein Rad komplett aus Einzelteilen selbst zusammen gebaut. Da war das Erlernen eines handwerklichen Berufs nicht so weit weg.
Wie kamen Sie dann doch noch zur Schauspielerei?
Was den eigentlichen Knacks gegeben hat, kann ich heute nicht mehr sagen. Ich erinnere mich, dass einer meiner Lehrer im Internat Bautzen ein Kabarett mit uns Schülern machen wollte. Da habe ich mitgemacht. Irgendwann kam der Punkt, an dem das Interesse wuchs und ich mich für ein Vorsprechen vorbereitet habe.
Und dann ging es los?
Nicht gleich. Übergangsweise war ich ein Jahr an der Volksbühne Berlin als Bühnenarbeiter tätig. Ab 1961 habe ich die Schauspielschule in Schöneweide besucht.
Ihr Weg führte Sie im Anschluss an verschiedene Theater.
Mein erstes Engagement hatte ich in Weimar, dann habe ich in Stendal gespielt. Zu dem Zeitpunkt kam Ulf Reiher auf mich zu, damaliger Leiter am Theater Senftenberg. Zu der Zeit sind die Intendanten noch viel gereist, immer auf der Suche nach Schauspielern. So kam ich nach Senftenberg. Einige meiner ehemaligen Studienkollegen wie  Hildegard Alex, Werner Tietze und Kaspar Eichel waren hier bereits beschäftigt.
Wie wurde schließlich aus dem Schauspieler ein  Intendant?
Es gibt ja keine klassische Intendanten-Ausbildung. Der Weg zur Intendanz führt entweder, wie bei mir, über den künstlerischen Bereich oder über den ökonomischen Weg. Der Wunsch zu inszenieren wurde damals immer stärker. Parallel habe ich über fünf Jahre ein Fernstudium der Theaterwissenschaften absolviert, erhielt verschiedene Angebote, die ich gern wahrgenommen habe, zum Beispiel am Puppentheater Halle. So erhielt ich die Chance, mich auszuprobieren. Das habe ich ausgeschöpft.
Und dann kam die Gelegenheit, ein Theater zu leiten?
Ja, Senftenberg war eine von drei Dispositionen. Ich kam zu einer Zeit hierher, als es politisch „knisterte“ und das Theater sich gerade in der Rekonstruktion befand. In der Entscheidungsphase hatte ich Einblick in die Bauzeichnungen für die NEUE BÜHNE, die ich aufgrund meiner Ausbildung verstand. Daraus waren das Potential und die hohe technische Qualität erkennbar, die das Haus nach der Fertigstellung bieten würde. Da war meine Entscheidung klar.
Sie haben die Stelle in einer Zeit des Umbruchs übernommen. Wie haben Sie jene unruhigen  Jahre erlebt?
1988 war Baubeginn. Nur zwei Jahre später sollten im Bezirk Cottbus die Arbeiterfestspiele stattfinden. Es war ein enormer Druck. Gespielt wurde am Theater Senftenberg bis dahin in einer ehemaligen Schulaula. Die Zustände waren unglaublich. Die Bauleitung mit den zuständigen Firmen sicherten die Eröffnung im Oktober 1990 trotz Währungsunion und Verteuerung. Viele dieser Firmen haben die Umstellung in das neue Wirtschaftssystem nicht geschafft. Zwei Tage vor der Eröffnung haben wir noch Stühle zusammengeschraubt. Die Koordination zwischen Handwerksarbeiten, Schauspielproben und Technik lief dank einem perfekt eingespielten Team reibungslos. Die Eröffnung des Theaters war quasi das letzte Geschenk der DDR an die Stadt und den Landkreis.
Nach der Wende war es sicher kein Leichtes, das Theater erfolgreich zu führen?
Unmittelbar nach der Wende hatten die Menschen, wie wir uns erinnern, andere Dinge im Kopf. Die Einstellung der Kohleindustrie war ein mächtiger Hammer für die Region. Das gesamte Umfeld fiel plötzlich in ein bodenloses Loch. In die Aufbruchstimmung und die Freude mischte sich plötzlich etwas, das nicht aufzuhalten war.
Was bedeutete das für Ihr Theater hier?
Die Finanzierung lief damals über einen Bezirk, der langsam anfing, sich aufzulösen. Wir nutzten die vorhandenen Gelder für Anschaffungen wie den Flügel für damals 50 000 DM, stockten die Lagerbestände mit Stoffen und Materialien auf, erhöhten die Gagen. Zudem haben wir eine Vielzahl an notwendigen Umstrukturierungen vorgenommen, die den Erhalt der Spielstätte sicherten. So haben wir unter anderem ein Konzept für ein Kinder- und Jugendtheater erarbeitet.
Erwies sich das als erfolgreiche Maßnahme?
Durchaus. Das Theater gewann zunehmend an Stabilität. Seine hohe Qualität erfuhr vor allem in den alten Bundesländern an Wertschätzung. Unsere Inszenierungen brachten uns zahlreiche Einladungen. Wir gastierten mit unseren Stücken von Wolfsburg bis zum Bodensee, aber auch in der Schweiz, Italien und Österreich. Über 50 Prozent der damaligen Einnahmen bezogen wir aus solchen Gastspielen.
Welche Stücke wurden gezeigt?
Überwiegend die Klassiker. Woyzeck, Faust I, Hamlet… Die Leute wussten, dass in der DDR gutes Theater gemacht wurde.Wie kamen Sie dann zurück zur Schauspielerei?
Ich habe bereits ab 1994 parallel zu meiner Intendanz wieder gespielt. Das hat sicher auch eine Brücke zu den Schauspielern geschlagen: zu sehen, dass ich auch Texthänger habe, in einer Probe albere, eben auch ein ganz normaler Mensch bin.
Gibt es noch eine Rolle, die Sie gern spielen möchten?
Der König Lear wäre reizvoll. Und außerordentlich spannend wäre eine Rolle in „Warten auf Godot“.
Wie viel Heinz Klevenow steckt in den einzelnen Rollen?
Das Glück, das dieser Beruf mit sich bringt ist, dass man mit Hilfe des Autors in die Gedankenwelt der Figuren eintauchen kann. Je weniger Parallelen es zu einem selbst gibt, desto spannender ist die Erarbeitung einer Rolle.
Sie haben mit Ihrer Arbeit die Region ein Stück weit geprägt. Hat die Region dasselbe für Sie getan?
Die Region ist meine, unsere Heimat geworden. Als ich 1969 hier her kam, begann die Flutung des Sees. 1973 wurde er als Naherholungsgebiet eröffnet. Ich erinnere mich, wie ich beim Schwimmen noch den Ruß vor mir herschob. Hier habe ich meine Frau kennengelernt. Hier haben wir geheiratet, sind unsere Kinder groß geworden.
Wie schalten Sie ab?
Bei körperlicher Arbeit. An jedem Theater hatte ich immer eine besondere Beziehung zu den Werkstätten. Hier konnte ich unterschiedliche Arbeiten für mich durchführen. So entstand eine Staffelei für meine Tochter und die Tschechow-Schaukel in unserem Garten, auf der ich heute noch meine Texte lerne.
Vielen Dank für das Gespräch und eine schöne Feier.
* Morgen (So den 30.08.2015.) präsentiert Theaterkritiker und Publizist Hartmut Krug um 11 Uhr an der NEUEN BÜHNE sein Buch „Wege übers Land“, Heinz Klevenow – Intendant, Regisseur und Schauspieler.



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