Bitte aktiviere / Please enable JavaScript![ ? ]
Crystal Meth kennt keine Grenzen - Märkischer Bote Crystal Meth kennt keine Grenzen Crystal Meth kennt keine GrenzenMärkischer Bote
Donnerstag, 18. April 2024 - 23:29 Uhr | Anmelden
  • Facebook SeiteTwitter Seite

header-logo

 
Overcast
5°C
 
das epaper der lausitzer heimatzeitung
Anzeigen

Crystal Meth kennt keine Grenzen

Region | Von | 31. März 2017

Seit 2010 hat sich die Zahl der Meth-Konsumenten in Süd-Brandenburg vervierfacht / Wir sprachen über das Problem mit Raik Nowka, MdL.

Region. Sie fallen öffentlich kaum auf, die Meth-Konsumenten. Aber ihre meist nächtliche Beschaffungsspur erschreckt. Hinter jedem zweiten Diebstahl in Cottbus und Spree-Neiße steht inzwischen Crystal-Meth, sagt der hiesige Chef der Kriminalpolizei, und im Seenland und Elbe-Elster soll es noch dramatischer zugehen.
Die Neue Bühne zeigt mit „Auf Eis“ seit zwei Wochen eine spannende Inszenierung zu dem beängstigenden Phänomen (s. Märkischer Bote, 24.3., S.14), und Landtagsabgeordneter Raik Nowka (CDU) aus Spremberg beschäftigt sich politisch damit. Mit ihm sprachen wir.

Crystal Meth sickerte seit den 1990er-Jahren von Tschechien nach hier ein, inzwischen in großen Mengen. Was ist an der Substanz „gefährlicher“ als an bekannten Drogen?
Raik Nowka: Wir sprechen von einer der gefährlichsten Drogen unserer Zeit. Crystal macht besonders schnell süchtig und hat einen enormen psychischen Vefall zur Folge. In Brandenburg, und hier vor allem im Süden, hat sich die Zahl der bekannten Süchtigen seit 2010 vervierfacht.
Was unternimmt die Landesregierung dagegen?
Deutlich zu wenig. Soeben hat die Ministerin Diana Golzer (Linke) meine Kleine Anfrage um Erweiterung der Drogenberatung abschlägig beantwortet. Das Problem wird, auch nachdem es dazu auf CDU-Antrag letzten September eine Aktuelle Stunde im Landtag gab, als „regional im dünn besiedelten Süden“ heruntergespielt, die Verantwortung zum Handeln den Kreisen und Kommunen zugeschoben. Der Konsum von Crystal muss aber vor allem durch polizeiliche Kontroll- und Verfolgungsarbeit, also die Unterbindung von Herstellung, Handel und Schmuggel zurückgedrängt werden. Das ist Aufgabe der Länder. Die CDU fordert, hier die Zusammenarbeit mit den Ländern Sachsen, Meck-Pom, Berlin aber auch Polen und Tschechien und mit dem Bund zu verstärken. Wir fordern ein Kompetenzzentrum zur grenzüberschreitenden Sicherheit, denn Crystal Meth kennt keine Landesgrenzen.
Diese Grenzenlosigkeit ist Ihr Thema bei einem Forum am 25. April in Klettwitz und auch der Tenor des Papiers Ihrer Fraktion. Was genau schlagen Sie vor?
Wir beschreiben zunächst präzise die Gefahr und den Ist-Zustand, dann nennen wir Lösungsansätze. Hier gliedern wir in Erstens: Aufklärung, und zwar besonders  unter Jugendlichen; Zweitens: die Hilfe für Abhängige und die Vermeidung von Rückfällen; Drittens: die Repression, also die schon beschriebene grenzüberschreitende Polizeiarbeit.
In fast allen Schulen läuft doch sicher Aufklärung. Reicht die nicht?
Offenbar nicht, wie die Situation zeigt. Vielleicht wird auch methodisch nicht schlüssig gearbeitet. Auf keinen Fall lässt sich das Thema totschweigen, und auch „Gruselbilder“ veralteter amerikanischer Machart sind kontraproduktiv. Ich rate zu guten Argumenten in kontinuierlicher Arbeit. Der einmalige Besuch eines Polizisten mit Drogenkoffer im Klassenzimmer reicht da nicht. Gesundheits- und Körpererziehung, Gewalt- und Suchtprävention müssen ein Ganzes bilden, sollen überleiten zum „Stark Werden“ aus innerer Überzeugung. Anders geht das gar nicht, weil Jugendliche Konflikte in Gruppen austragen, also außerhalb der Klassenzimmer weiterführend auch in für Außenstehende unzugänglichen WhatsApp- Gruppen.
Das alles fällt unter Prävention. Sind da nicht auch Krankenkassen in der Pflicht?
Ein diffiziles Thema. Kassen leisten mit Versicherten-Geld Prävention – nach ihren jeweiligen Schwerpunkten. Da hier keine Steuergelder beteiligt sind, halten sich Bund und Länder raus.
Das heißt, die Kassen tun nichts gegen Drogenmissbrauch?
Doch. Etwa in einer Form, in die auch Unternehmen einsteigen können. Das Projekt heißt „Klasse 2000“. Interessierte, also auch Kassen, übernehmen jeweils für 200 Euro ein Jahr lang die Patenschaft für eine Grundschulklasse, und dort unterrichtet dann ein Gesundheitscoach regelmäßig zu Sucht, Gewalt, Ernährung, Körper Verstehen. Aktuell werden hierbei 500 000 Schüler erfasst.
Brandenburgs Linke wirbt für Schulkrankenschwestern. Geht das in die Richtung?
Nein. Dort geht es eher um Fürsorge. Die Schwestern betreuen chronisch kranke Kinder, Allergiker und ähnliches. Zehn sind im Einsatz bei einem Schlüssel von 1:700. Also erreicht das Modell gerade mal 20 Schulen. Es soll nach der Testzeit auasgebaut werden. Ich bin eher skeptisch. Wenn die Mittel schon begrenzt sind, sollten wir die Kinder sicher und stark machen, statt ihnen mit Landesmitteln Pampers anzulegen.
Welche Mittel stehen für Suchtprävention zur Verfügung?
43 500 Euro je Kreis oder kreisfreie Stadt. Damit gibt es etwa für eine Kleinstadt von 25 000 Einwohnern eine Betreuungsperson. Das heißt: Verfügbarkeit in knapp 40 Stunden die Woche, Urlaub und Ausfälle nicht gerechnet. 168 Tag- und Nacht-Stunden hat eine Woche. Also sind 130 Stunden ohne Ansprechmöglichkeit. Wir haben aber nicht zwei oder drei oder vier Chancen, wenn ein Betroffener sich durchringt, zu einer Beratung zu gehen. Was bleibt ihm? Beschaffen.
Gibt es Aussicht auf mehr Geld für Schwerpunktregionen?
Nach der Aktuellen Stunde im September sind 100 000 Euro zusätzlich für die Kreise Elbe-Elster und OSL bewilligt worden. Dort ist die Not am größten.
Es heißt, Crystal sei billig zu haben. Stimmt das?
Anfangs ja. Das ist Teil der besonderen Gefahr. In der Sucht braucht der Betroffene aber täglich ein Gramm Pulver, etwa 100 Euro. Der Entzug ist problematisch, die Rückfallquote extrem hoch, auch weil Beratungskapazitäten fehlen. Und die Dealer sind teils so aggressiv, dass sie in Entzugseinrichtungen eindringen und Rückfallversorgen.
Welchen Schwerpunkt setzt Ihr CDU-Forum in Klettwitz?
Politiker und Praktiker der psychosozialen Arbeit wollen vor allem länderübergreifend Wissen austauschen und Kontakte entwickeln. Und das Problem muss aus der Verschwiegenheit raus.
Danke.    Es fragte J. Heinrich



Anzeige

Kommentar schreiben

Kommentar


Das könnte Sie auch interessieren: