Herrenhäuser in der Lausitz (6): Groß Leuthen, ein gewaltiger Wohnturm am See
Land und Leute | Von CGA Verlag | 12. August 2002Direkt am Ufer des Groß Leuthener Sees, 15 Kilometer nordöstlich von Lübben, oder anders gesagt, auf halber Strecke zwischen Schwielochsee und Neuendorfer See, liegt ein Schloßkomplex, wie man ihn zwischen Berlin und Dresden kein zweites Mal findet. Es handelt sich um eine über Jahrhunderte gewachsene Anlage, deren markanteste Teile der Dreiflügelbau mit Treppenturm aus dem 16. Jhd. und der gewaltige Wohnturm von 1913 sind. Zu DDR-Zeiten war das Schloß als spezielles Kinderheim quasi verbotenes Territorium und dem öffentlichen Gedächtnis entschwunden.
Dorf und Herrschaft
Mit “Tammo von deme Luthen” tritt Leuthen 1368 in das Licht der geschriebenen Geschichte ein. Der Besitz entstand in einem längeren Prozeß aus der aufgelösten Burggrafschaft Lübben. Zur regulären Herrschaft wurde Leuthen erst im 16. Jahrhundert, neben Groß Leuthen gehörten die Dörfer Bückchen, Dollgen, Guhlen, Klein Leine, Klein Leuthen und Ressen dazu. Im 15. Jahrhundert wechselten die Besitzer mehrfach. Dorf und Schloßgut blieben über Jahrhunderte getrennt und wurden erst 1928 zu einer Gemeinde vereinigt.
Schenken von Landsberg
Im Jahre 1900 zählte man 414 Einwohner, davon 277 im Dorf und 137 im Schloßbezirk.1517 erwarb ein mächtiger Herr Groß Leuthen, der daraus nun die Standesherrschaft formte, wie sie bis 1945 Bestand hatte: Wilhelm Schenk von Landsberg. Er entstammte einer seit dem frühen 14. Jahrhundert in der Lausitz ansässigen Familie, die besonders durch den umfangreichen Besitz von Teupitz (das Schenkenländchen) Größe und Ansehen besaß. Wilhelm war mit Magdalene Gräfin Reuß von Plauen verheiratet, deren Brüder übrigens Stifter der bekannten Jüngeren bzw. Älteren Linie Reuß waren. Die Schenken von Landsberg konnten sich bis 1721 in Groß Leuthen halten. In dem Jahr verstarb Carl Albrecht Schenk von Landsberg auf Leuthen kinderlos, sein erbender Bruder Ludwig Alexander auf Teupitz starb drei Monate später, gleichfalls kinderlos. Damit war das einstmals so mächtige Geschlecht erloschen.
Die begehrte Gräfin
Groß Leuthen ging nun durch mehrere Hände, bis es 1779 an eine Gräfin Podewils kam. Sie war die Nichte des letzten Besitzer aus dem Hause Schulenburg und muß eine sehr begehrte Dame gewesen sein. Das lag wohl nicht so sehr am Leuthener Besitz, sondern vielmehr an ihrem Vater, der der erste Staatsminister Friedrich II. war. Die Gräfin, für eine Frau zur damaligen Zeit höchst ungewöhnlich, war viermal verheiratet, zunächst mit dem Legationsrat von Marschall, dann mit Graf Haeseler, es folgten ein von Bredow, pensionierter Offizier aus bestem Hause, und letztlich Graf Hordt, preußischer Generalleutnant, alter Haudegen und Tafelrundengefährte Friedrich des Großen und Kommandant der Festung Spandau.
Groß Leuthen wurde nur als Nebengut betrieben, allerdings kam die Gräfin häufig. Sie wurde beerbt von ihrem Sohn aus zweiter Ehe, August Ferdinand von Haeseler, der 1838 auf Schloß Leuthen starb. Interessantester Besitzer danach war Emil von Gutzmerow, aus Pommerschen Uradel stammend, Kammerherr der Königin bzw. Kaiserin Augusta, von Friedrich Wilhelm III. bis Wilhelm II. fünf Hohenzollernfürsten dienend. Doch Fürstendiener wurden selten reich.
Abraham von Wülfing
Erst 1906 kam Groß Leuthen in vermögende Hände, die Herrschaft wurde von Johann Abraham von Wülfing erworben. Wülfing stammte aus einer alten Kaufmanns- und Beamtenfamilie aus dem Bergischen Land, er selbst kam aus Barmen. In Berlin hatte er ab 1898 mit einer Chemiefabrik große Erfolge. Seine Milchzucker- und Milcheiweiß – Produkte, darunter der berühmte Muttermilchersatz “Albulactin”, wurden in alle Welt exportiert und brachten reiche Gewinne. Bald gehörte er zum Geldadel, doch zum Eintritt in die Wilhelminische High Society fehlten ihm die gewissen drei Buchstaben vor seinem Namen. Also versuchte er einen Weg, den zur damaligen Zeit so manche Kommerzienräte gingen: Er kaufte sich auf dem Lande ein. Der Besitz einer alten Herrschaft und die Verdienste um das Vaterland mußten den Kaiser doch gnädig stimmen. Und wirklich, 1908 geruhten die “Allerhöchste Majestät” für Wülfing einen Adelsbrief ausstellen zu lassen. Da konnte man doch jubilieren, da mußte man sich doch dankbar und erkenntlich zeigen. Also beschloß Wülfing, pardon, Herr von Wülfing, den Landsitz seiner neuen Würde entsprechend umzugestalten. Dazu konnte er den Burgenforscher und Architekten Bodo Ebhardt aus Berlin-Grunewald gewinnen. Der Intimus des Kaisers hatte schon so manche Burgen – Villa erstellt, am bekanntesten heute seine Hakeburg bei Kleinmachnow.
Zunächst restaurierte er das alte Schloß, durchaus mit Respekt vor den alten Gemäuern. Dann entwarf Ebhardt einen vielgestaltigen Anbau mit neuer Eingangshalle, Gesellschaftsräumen, Landungstreppe am See, großer Terrasse und sechsgeschossigem Wohnturm. 1927 starb von Johann Abraham von Wülfing, im Besitz folgte bis zur Vertreibung 1945 sein Sohn Rudolf.
Der Rohkunstbau
Zunächst wurde Schloß Groß Leuthen Waisenhaus, dann diente es als staatliches Kinder- und Jugendheim. Durch die ständige Nutzung war die Bausubstanz nicht ganz so verschlissen wie sonst üblich. Nach der Wende wurde die Stiftung “Großes Waisenhaus zu Potsdam”, Eigentümer des Schlosses, eine kleine Wohngruppe lebt noch jetzt hier. Die Potsdamer Stiftung, als Militärwaisenhaus im 18. Jahrhundert gegründet, ist momentan und allein zu einer Restaurierung nicht in der Lage, nur nötigste Arbeiten können ausgeführt werden. Damit riesige Räume nicht ungenutzt bleiben, werden sie vermietet, unter anderem an den Verein Rohkunstbau, der bis Ende August wieder eine “Ausstellung zeitgenössischer Kunst im Land Brandenburg” veranstaltet. Von den elf Künstlern kommt tatsächlich einer aus Potsdam.
SEK Cottbus
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