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„Auf den Grundeinsichten der Reformation baut unsere moderne Kultur auf“

Region | Von | 24. März 2017

170325 Luther

„Bildung, Beruf, Sprache, Gewissensfreiheit: Was von der Reformation heute noch zu spüren ist“- so lautet die öffentliche Vorlesung in der BTU am 14. Juni mit Ulrike Menzel, Superintendentin des evangelischen Kirchenkreises Cottbus. Im Gespräch erklärt sie, warum die Reformation keineswegs nur allein für die Kirche von großer Bedeutung ist Fotos: Mathias Klinkmüller

Superintendentin Ulrike Menzel erklärt, warum das Jubiläum gefeiert werden muss

Region. Die Reformation ist Luther und Luther war gegen den Ablasshandel. Diese einfache Formel haben viele im Kopf, wenn es um das Thema 500 Jahre Reformation in diesem Jahr geht. Bei  dem Vermächtnis der Reformation geht es allerdings um viel mehr als allein um den Ablasshandel und auch um viel mehr als nur um Luther, sagt Ulrike Menzel (52). Sie ist Superintendentin des Evangelischen Kirchenkreises Cottbus. Im Gespräch erklärt sie, welche Auswirkungen die theologischen Einsichten der Reformation hatten und noch haben.
Frau Menzel, hätte Luther die 95 angeschlagenen Thesen nicht in folgender  zusammenfassen können: Ich bin gegen den Ablasshandel?
U. Menzel: Neuere Forschungen gehen davon aus, dass Luther die Thesen Briefen beigelegt und nicht angeschlagen hat. Der Anlass der 95 Thesen ist der Ablasshandel, aber die Thesen umfassen viel mehr. Luther geht es darum zu zeigen, dass niemandem im Blick auf das Verhältnis zu Gott falsche Sicherheit vorgegaukelt werden darf und Menschen sich nicht anmaßen dürfen, was nur Gott zukommt.
Können Sie das genauer erklären?
Kern ist, dass sich Gottes Gnade nicht (ver)kaufen lässt. Gott wendet seine Gnade uns Menschen zu, wie er will. Die Kirche kann um Vertrauen zu Gott werben, aber nicht für Geld oder andere Bußeleistungen Menschen die Vergebung Gottes garantieren. Nach evangelischer Auffassung steht die Kirche nicht als Mittlerin der Gnade Gottes zwischen Gott und Menschen, sondern Christus allein ist die Tür zu Gott, die allen Menschen gleich offensteht.
Ist dadurch die Kirche nicht überflüssig geworden?
Sicher wurde die Kirche durch diese Einsichten entmachtet. Sie verlor ihre weltliche Macht. Die Reformation ermöglichte die moderne Trennung von Staat und Kirche und die Gewissensfreiheit.
Worin sehen Sie heute die Aufgabe der Kirche?
Die Kirche bleibt wichtig für die Verkündigung des Wortes Gottes. Allerdings betonte Luther, dass jeder, der getauft ist, selbst zum Priester, Bischof oder Papst geweiht ist. Deswegen hat Luther die Bibel ins Deutsche übersetzt und die allgemeine Schulbildung vorangetrieben, damit niemand mehr auf die Vermittlung weniger Kundiger (aus dem Lateinischen) angewiesen ist, sondern jeder selbst in der Bibel lesen kann.
Neben der Abschaffung des Ablasshandels – warum muss die Reformation heute gefeiert werden?
Auf den Grundeinsichten der Reformation baut unsere moderne Kultur auf. Luthers Verständnis von der „Freiheit eines Christenmenschen“ macht deutlich, dass Freiheit im Glauben und Nächstenliebe zusammengehören. Gleiche Bildungschancen für alle ist ein zentrales Erbe der Reformation, an dem wir heute weiterarbeiten müssen. Der Reformation verdanken wir auch die einheitliche deutsche Sprache. Luther war ein genialer Sprachschöpfer. Worte wie „Geizhals“, „Lückenbüßer“, „Stein des Anstoßes“ oder Redewendungen wie „sein Licht nicht unter den Scheffel stellen“ stammen aus Luthers Bibelübersetzung.
Die Formel Reformation gleich Luther finden Sie wie?
2017 feiern wir kein Lutherjubiläum, sondern 500 Jahre Reformation. Dass Luther das Gesicht dieses Jubiläums ist, finde ich nicht verkehrt. Inhalte brauchen auch Gesichter, und Luther war ein bedeutender Theologe. Aber auch andere vor ihm und neben ihm traten für die Erneuerung der Kirche ein. Jan Hus, John Wyclif, Philipp Melanchthon, Ulrich Zwingli, Johannes Calvin – die Reformation hat viele und nicht nur deutsche Gesichter. Übrigens ist auch der Einfluss von Luthers Frau Katharina von Bora als Rückhalt seines Wirkens nicht zu unterschätzen.
Wegen seines Umgangs mit Juden wird Luther auch gern kritisch betrachtet.
Luthers Antisemitismus und auch seine Einstellung zu den Türken muss auf dem historischen Hintergrund gesehen werden. Darin war Luther ein Kind seiner Zeit. Wir haben heute andere Einsichten und Herausforderungen und distanzieren uns von diesen zeitbedingten Äußerungen Luthers.
Welchen Einfluss hatte Luther auf die Lausitz?
Er war selbst nie in Brandenburg. Aber auch hier breitete sich die Reformation aus. Bereits 1522 predigte Johannes Briesmann in Cottbus erstmals lutherisch. 1537 taten dies erstmals offiziell Johann Mantel in der Cottbuser Oberkirche und Johann Ludeck in der Cottbuser Klosterkirche. Luther  fand auch bei hiesigen Adelsgeschlechtern wie zum Beispiel den Biebersteinern in Forst Anhänger.
Auf welche Veranstaltung freuen Sie sich im Reformationsjahr besonders?
Vom 10. bis 12. Mai ist Kerkwitz Gastgeber des Europäischen Stationenweges mit über 60 Städten. Dieser führt durch Metropolen wie Riga, London, Rom oder Genf und eben auch Kerkwitz, das die einzige Station in Brandenburg ist. In Kerkwitz wurde 1952 gegen den Widerstand des Staates eine Kirche eingeweiht, die von den Kerkwitzern selbst gebaut wurde. Das ist eine beeindruckende Geschichte von Mut und Gestaltungskraft, die uns dazu helfen kann zu fragen: Wie können wir heute unsere Region verantwortlich mitgestalten, ohne uns von schlechten Prognosen und Problemen entmutigen zu lassen?
Herzlichen Dank für das Gespräch.
    Mathias Klinkmüller



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