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Der Marktplatz in Forst um 1930

Markt Forst um 1930
Das Bild zeigt den markt in Forst/Lausitz um 1930

In unserem Archiv ist verzeichnet, dass dieses Rätselbild schon „um 1930“ entstand. Fred Riedel aus Forst, der in wenigen Tagen 90 Jahre alt wird, erinnert sich genau an den Marktplatz, den wir diesmal abbildeten. Er beschreibt: „Die Aufnahme wird vermutlich in den 1920er Jahren entstanden sein. Das lassen die Pferdefuhrwerke und ein Bus vor den beiden größeren Hotels vermuten. Auf der Nordseite (rechte Seite) sind sie zu sehen, die Hotels ‘Pitius’, Markt 3, und ‘Mohrs’, Markt 4. Eigentümer war Emil Borchardt. Im selben Gebäude waren auch die Dresdener Bank und Spezialgeschäft für Zigarren,‘Löser&Wolf’. Links ist ein Teil der Stadtkirche St. Nikolai zu erkennen, daneben ein Haus (nicht zum Markt) gehört zur Cottbuser Straße. Dieses Gebäude ist eine Butterhandlung mit Wild und Geflügelverkauf, Inhaber Reinfeld, daneben ein niedrigeres Haus, ‘Adler Apotheke’, Markt 19. Darin befand sich noch ein Fotogeschäft ‘Thumann’. Rechts vom Markt geht die Lindenstraße ab; an der Ecke Markt/Lindenstraße befand sich ein Kaufhaus: erst ‘Mund’, später wurde es als Kaufhaus ‘Löwenstein’ bezeichnet, offene Handelsgesellschaft. Hotelier Emil Borchardt, geb. 5.12.1858, war Weltmeister, erhielt 1892 den Titel ‘Stärkster Mann der Welt’. Auf dem internationalen Athletenkongress gegen 34 weitere Männer hat er am 10.3.1892 in Berlin u.a. die Hantel mit dicker Welle (8 cm dick, entspricht 9 Personen á 120 Pfund) im Genick getragen und einen Mühlstein mit einem Finger vom Boden auf ca. 60 cm angehoben. Durch seinen Fingerring konnte ein 5-Reichsmark-Stück fallen (Durchmesser 37 mm). Er war 1,80 m groß, hatte 280 Pfund Eigengewicht, der Oberarmmuskel hatte 53 cm Umfang, Unterarm 47 cm, Brust 1,42 m. Der Betrachter des Bildes steht an der Ostseite des Marktes, hier stand das Rathaus. Meine Familie stammt aus Berge (Stadtteil östlich der Neiße, d.Red.), flüchtete im Februar über die Neiße, unter Beschuss über den Markt – viele Häuser brannten. Wir kamen erstmal in die Stadt zu Verwandten. Der Beschuss war zu stark, Forst war zur Festung erklärt. Viele Forster sind mit Zügen evakuiert worden, wir sind bis nach Templin geflüchtet, wurden in einer großen Schule untergebracht, später in einer eigenen Wohnung. Im Mai kamen wir zu Fuß mit Handkarren zurück nach Forst.“
Auch Reinhard Borrmann aus Cottbus wusste: „Wir sind in der Tuch- und Rosenstadt Forst.“
Arno Schulz aus Guben meint: „Ich kenne zwar Forst so einigermaßen, kann aber den abgebildeten Straßenzug nicht zuordnen. Wegen der Kriegszerstörungen ist er in dieser Form sicherlich nicht mehr erhalten. Es kann aber nur der Marktplatz von Forst sein, denn die Gleise der Stadteisenbahn sind gut zu erkennen. Es fehlt eine Oberleitung, wie sie für einen Straßenbahnbetrieb erforderlich wäre. Nur Forst hatte eine Stadteisenbahn, Cottbus hat und Guben hatte eine Straßenbahn.“

Hinter der Forster Kirche war der Markt. Nach schwerster Zerstörung entstanden dort Jahrzehnte später Wohnblocks, die dann wieder abgeräumt wurden. Geblieben ist viel Grün. Das Bild stammt aus dem Jahre 2014. Foto: CGA-Archiv/Hnr.

Aus Spremberg meldet sich unser Leser Manfred Gnida. Er hat sicher recht, wenn er meint: „Ein Foto, an das nur noch wenige Menschen persönliche Erinnerungen haben.“ Weiter schreibt er: „Abgebildet ist der Marktplatz in Forst, speziell die Bauten an der Nord- und Westseite. Teils noch erkennbar links ist die 1470 errichteten St. Nikolai Stadtkirche, die im Laufe der Jahrhunderte ihr Ansehen bis in die heutige Zeit veränderte. Einst befanden sich rund um die Kirche auf allen Seiten des Marktplatzes historische Bauten, deren damalige Bedeutung einigen noch in Erinnerung ist oder durch Überlieferungen an das einstige Stadtbild vermittelt wurde. Rechts ist die damalige Nordseite des Platzes mit dem Kaufhaus W. Loewenstein, dem Hotel Pittius und Hotel Mohrs. Daran folgten, im Bild ersichtlich, drei Banken, Nationalbank, Bank für Industrie und Gewerbe und die Darmstädter Bank. Erkennbar auch die Gleise der Schwarzen Jule, die an der Kirche vorbei geradeaus in die Lindenstraße und nach rechts in die Mühlestraße und weiter über die Lange Brücke in den Stadtteil Berge führten. Vor dem Hotel Mohrs war ein Standplatz für Taxen, und der Omnibus hatte Verbindung zum Bahnhof. Das beliebte Kaufhaus Loewenstein war einst ein kleineres Gebäude, das später aufgestockt wurde. Loewenstein war Jude und durch Naziverfügung erging 1938/ 39 der Besitz Loewenstein an Erich Mundt. Besitzer vom Hotel Pittius war Margarete Geusert und bis 1945 Martin Seyfert und vom Hotel Mohrs Emil Borchert. Weitere Gebäude rund um den Markt waren zum Beispiel an der Westseite die Adler-Apotheke, an der Ostseite das damalige Rathaus mit den von der Stadtverwaltung genutzten Nebengebäuden und die Schmiede von Ernst Kleemann, und an die Südseite erinnern das Cafe Schwalbe und die Tuchhandlung Noack. Leider wurden die Gebäude am Markt am 22.Febuar 1945 Opfer der Bomben im II. Weltkrieg und auch die Kirche erlitt erhebliche Zerstörung. Zu Zeiten der DDR wurden rund um den Markt Neubauten errichtet, die das Stadtbild nicht verschönerten, weshalb später ein Rückbau erfolgte.
Die Neugestaltung des Platzes, der auch zwischenzeitlich als Busbahnhof diente, macht diesen Ort mit der Bepflanzung, dem Brunnen, der Kirche St. Nikolai und als Veranstaltungsplatz zum beliebten Ort des Stadtlebens.“
Dass gerade an diesem Platz die Kriegsschäden nie überwunden wurden, bedauert S. Sachse in seiner Mail. „Spremberg und andere schwer zerstörte Städte haben vorgemacht, dass es wichtig ist, dem Ort seine Mitte zurückzugeben. Das glückte in Forst nicht. Wenigstens konnte in langen Etappen die schöne Kirche wieder aufgebaut werden. In ihr ruht der ehemalige Standesherr Brühl, dessen Trau das hier noch erkennbare alte Rathaus errichten ließ. Sie hatte angewiesen, dass entsprechend Städtisch auch die weiteren Gebäude angepasst werden sollten. Das geschah aber nach Brühls Abgang im Jahre 1763 nicht. Die Stadt kam durch die von Brühl begonnene Textilindustrie schnell zu Wohlstand und wuchs etwas planlos, wie das Bild vom Markt der Vorkriegszeit anschaulich zeigt. Vielleicht hatte auch deswegen niemand wirklich Lust zum Wiederaufbau. Konzeptversuche gab es ja hin und wieder.“

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