Ehe aber die „Auflösung“ verraten werden soll, gilt es, ein Versäumnis nachzuholen: Leider haben wir die Quelle des Bildes nicht angegeben! Das Foto wurde dem Beitrag „Maria Karch – Eine Forsterin im Deutschen Reichstag“ von Hagen Pusch im Forster Jahrbuch für Geschichte und Heimatkunde 2006, herausgegeben vom Museumsverein der Stadt Forst (Lausitz) e.V., Seite118, entnommen.
Zum Bild haben wir den Autor Hagen Pusch gebeten, uns einige Erläuterungen mitzuteilen:
„Dieses Haus befindet sich zur Zeit noch an der Ecke Virchowstraße (früher Viktoriastraße)/Fruchtstraße in Forst. „Zur Zeit noch“ soll heißen, dass es sich in einem vollkommen desolaten Zustand befindet und sicher irgendwann abgerissen werden muss, wenn es nicht vorher von selbst zusammenfällt.
Das war natürlich nicht immer so! Anfang des 20. Jahrhunderts war unsere Stadt ein aufstrebender Industriestandort, der vor allem durch die Textilindustrie und den Maschinenbau lebte. Für die vielen hier beschäftigten Arbeiter musste Wohnraum geschaffen werden und so entstand auch dieses Haus. Eigentümer war die Familie Karch. Hermann und Maria lebten hier mit Tochter Erika und Enkelin Marlinde. Maria Karch war politisch interessiert und schloss sich der USPD (Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands) an. Als nach dem Ende des 1. Weltkrieges die Republik ausgerufen wurde und auch Frauen das Wahlrecht bekamen, wurde Maria Karch als Kandidatin in die Wahlliste zum Deutschen Reichstag aufgenommen und am 6. Juni 1920 in den selben gewählt. Um den Lebensunterhalt für die Familie zu sichern – Berufspolitiker waren eher die Ausnahme – eröffnete sie in ihrem Haus einen Kolonialwarenladen, der zahlreiche Kundschaft anzog.
Aber die Zeiten waren unruhig und auf der politischen Bühne der Weimarer Republik ging es immer wieder drunter und drüber. So wurde 1924 der Reichstag mal wieder vorzeitig aufgelöst und Maria Karch entschied sich, nur noch in der Kommunalpolitik mitzuarbeiten. Sie war bis Ende 1929 in der Forster Stadtverordnetenversammlung vertreten.
55-jährig schied Maria Karch auch dort nach Ablauf der Wahlperiode aus und widmete sich ganz ihrem Geschäft. Dieses betrieb sie, mit einer kurzen Unterbrechung Anfang 1945, bis zum 31. Mai 1946. Es hatte sich ein Augenleiden eingestellt, welches sie später gänzlich erblinden ließ. 1958 verstarb Maria Karch, doch ihre Enkeltochter wohnte, mit einiger Unterbrechung, bis 1981 dort. Nun steht das Haus leer, das Dach ist defekt, der Eingangsbereich mit Strauchzeug bewachsen. Ein jammervoller Anblick.“
Wer mehr zu diesen oder auch anderen heimatgeschichtlichen Themen wissen möchte, der kann dies in dem bereits eingangs genannten „Forster Jahrbuch für Geschichte und Heimatkunde“, Ausgabe 2006, nachlesen. Alle drei bisher vom Museumsverband der Stadt Forst (Lausitz) e.V. herausgegebenen Bücher sind im Buchhandel und im Brandenburgischen Textilmuseum zu bekommen.
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