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Vom Turm der Oberkirche St. Nikolai in den 1970er Jahren

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Um 1970 vom Turm der Oberkirche nordwärts fotografiert

Wir befinden uns diesmal auf einen Turm in Cottbus in den frühen 1970er Jahre. Viele Cottbuser haben sich recht genau an die Bildsituation erinnern können. Susanne Haupt aus der Inselstraße schildert: „Rechts im Bild erkenne ich das Gebäude der AOK-Krankenkasse und dahinter den Einzelhandel ‘Rudis’, ehemals ‘Pfennigpfeiffer’ Als Standort des Fotografen nehme ich den Turm der Oberkirche an.“
An einen nicht ungefährlichen Bubenstreich sieht sich Ulrich Buder erinnert, „weil nämlich diese Straße zur Feuerwache führt. Die habe ich mal ungewollt herausgefordert. Ich baute als Jugendlicher manchmal Stinkbomben. Viele kennen das Prinzip. Ein Exemplar ließ ich auf dem Fensterbrett meines Kinderzimmers in der Erfurter Straße gewaltig qualmen. Fast 30 Sekunden erzeugte das Bastelwerk dicken weißen Rauch. Ein paar Minuten später klingelte und klopfte es heftig an der Wohnungstür. In voller Montur standen zwei Feuerwehrleute da. Mit zwei Löschfahrzeugen waren sie angerückt. Meine Mutter wurde von der Arbeit geholt. Bauarbeiter hatten die 115 gewählt. Und da sind die aus dieser Straße, die hier zu sehen ist, losgerast…“
Familie Lauschke vom Neustädter Platz kommt konkret zur Sache: „Die Häuser in der linken Bildhälfte gibt es nicht mehr. Dort enstand der Parkplatz und der vor zwei Jahren neu gestaltete Oberkirchplatz. Die Klosterstraße erhielt eine neue Führung. Von den Häusern im rechten Bildteil wird gegenwärtig das ehemalige Fabrikgebäude, zuletzt Handelshaus ‘Rudis’, zum Wohnhaus umgebaut. Im anschließenden Gebäude befand sich bis vor kurzem die Geschäftsstelle der AOK. Dazwischen verläuft die Kreuzgasse, die in den 80er Jahren zum Teil neu bebaut wurde. Dort haben wir 30 Jahre gewohnt. In dem Gebäude in der rechten oberen Bildecke befindet sich seit längerem eine tolle altersgerechte Wohnanlage. Die übrigen Häuser hinter der Baumgruppe gibt es nicht mehr. Sie wurden durch passende Neubauten ersetzt.“
Herbert Ramoth schreibt: „Das Foto der frühen 1970er Jahre wurde vom Turm der Oberkirche St. Nikolai in Cottbus, der größten mittelalterlichen Kirche in der Niederlausitz, gemacht. Noch zu DDR-Zeiten hat sich das Stadtbild besonders auf der linken Straßenseite des Fotos gewaltig verändert. Von 1984 bis 1989 ist zwischen dem Berliner Platz und dem Oberkirchplatz das Wendische Viertel hauptsächlich in Plattenbauweise mit altstadttypischer Fassadenstruktur entstanden. Namensgeber war die Wendische Kirche (Klosterkirche), Bestandteil des einstigen Franziskanerklosters in der Klosterstraße. Diese und andere historische Straßenzüge mit vielen bedeutsamen stadtgeschichtlichen Baudenkmalen mussten allerdings diesem Bauvorhaben mit etwa 500 Wohnungen weichen. Das in der Bildunterschrift angesprochene Gebäude, das z. Z. saniert wird, ist die Hausnummer 1 in der Kreuzgasse, einst Grotex-Filiale, nach der Wende Läden mit den Bezeichnungen ‘Pfennigpfeiffer’ und zuletzt ‘Rudis’. Meine Fotos vom Turm der Oberkirche in Richtung Stadtzentrum, Wendisches Viertel, Klosterkirche, Gerichtsturm habe ich Im September 2009 gemacht und stehen zu Ihrer Verfügung.“ Danke, wir haben den Blick gen Norden zum Text gestellt.

Herbert Ramothts Blick 2009 gen Norden.

Elfriede Schütze-Tarnick mailt uns: „Das ist eindeutig der Blick von der Oberkirche in nördlicher Richtung, also auf die Friedrich-Ludwig-Jahn-Straße. Die drei versetzt gebauten Häuser unten links sowie die alte Klosterstraße sind mir noch gut in Erinnerung, denn mein damaliger Arbeitgeber, das TKC, hatte in dem jetzt sanierten Gebäude zeitweilig Büros im Dachgeschoss angemietet. So bin ich in den 1970er Jahren täglich hier gewesen. Man sieht, wie sich der Straßenverlauf der Klosterstraße verändert hat, denn jetzt ist diese ja am unteren Ende des Bildes. In den Jahren davor besuchte ich die 4. POS, die sich unweit von dieser Ecke in der F.-L.-Jahn-Straße befand. Außer dem jetzt sanierten Gebäude (lange Jahre ‘Pfennigpfeiffer’) ist das Gebäude davor erhalten. Hier residierte die AOK. Ein weiteres Gebäude ganz oben rechts an der Bildecke blieb ebenfalls erhalten. Es wurde ab 2010 zu Betreutem Wohnen umgebaut mit der Adresse Mauerstraße 10.“
Jürgen Klingmüller aus der Willy-Brandt-Straße bedauert: „Tatsächlich hat die sozialistische Abrissbirne hier ganze Arbeit geleistet. Lediglich drei Gebäude (auf der rechten Bildhälfte) blieben erhalten. Das sind die Gebäude der ehemaligen Tuchfabrik der Gebr. Fritsch und das Eckhaus der AOK. Ältere Cottbuser werden sich noch an den Lebensmittelladen Brauer, das kleine Restaurant ‘Klosterstübl’ und an die Bäckerei Jäckel erinnern. Mit dem Abriss der alten Substanz ging viel Cottbuser Identität verloren. Obwohl man ja sagen muss, dass das ‘Wendische Viertel’ für sozialistische Bedingungen gut gelungen ist. Vorrangig ging es nun mal um Wohnungen.“
Auch der Cottbuser Michael Max kennt sich hier aus: „Ein schöner Blick vom Oberkirchturm über einen Teil des Oberkirchplatzes hinein in die Friedrich-Ludwig-Jahn-Straße. Mittig des Bildes sieht man den Giebel des Gebäudes, in dem sich das Lebensmittelgeschäft Brauer befand. Die gesamte Bebauung, incl. Klosterstraße und dahinter liegender Münzstraße wurde für das entstehende Wendische Viertel Anfang der 1980er abgerissen.“
„Das Bild vom Turm ist Richtung F.-L.-Jahn-Straße fotografiert“, erkannte auch G. Peschank. „Die Aufnahme muss Anfang der 70er Jahre entstanden sein. Nicht ganz im Bild ist links der Standort des alten Friedrich-Wilhelm-Gymnasiums. Von der Sandower Straße bis etwa zum Beginn dieses Bildausschnittes war die Straße mit Holzpflaster belegt, damit der Schulbetrieb durch die Eisenreifen und Pferdehufe der Fuhrwerke nicht gestört würde. Im Winter war hier immer ein Schwerpunkt der Pferdestürze.“
Schließlich schreibt Christine Netzker mit nachgezogenen Grüßen zum Neuen Jahr: „Das Foto wurde vom Turm der Oberkirche aus aufgenommen. Der Blick geht in die Jahnstraße, links befindet sich heute das Wendische Viertel, dann der Parkplatz Jahnstraße und links im Vordergrund der neu gestaltete Oberkirchplatz.“

Dr. Peter Rudolph schreibt außerdem nachträglich: “Ja, das ist ein Blick von der Oberkirche in Richtung Norden zur Friedrich-Ludwig-Jahn-Straße. In dem vorderen Haus links im Bild, Oberkirchplatz 4 (vor dem Krieg Geschäftsstelle des Turnvereins 1861 e.V., d. Red.), habe ich am 12. Mai 1973 geheiratet. Dort wohnten meine Schwiegereltern, Emma und Paul Schnabel. Er wurde nach dem II. Weltkrieg im Schloss Branitz von den Russen zur Beräumung des Schlosses eingesetzt. Bei meinen Schwiegereltern haben im Hof die Besitzer von Marktständen auf dem Oberkirchplatz ihre Obst- und Gemüsekisten abgestellt. Das Haus hatte einen phantastischen Gewölbekeller, der leider beim Abriss des Hauses zugeschüttet wurde. Dazu gab es auch mal einen Artikel im Märkischen Boten, der das kritisch betrachtet hat. Gibt es den Beitrag noch? Für meine in Arbeit befindliche Familiengeschichte wäre das eine schöne Ergänzung. Alle Bemerkungen Ihrer Leser stimme ich zu. Im letzten Haus links hinten übernachteten damals einige Hochzeitsgäste. Dort wohnte auch eine Verwandte meiner Schwiegereltern, die nach dem Krieg im „Kammerbrett’l“ arbeitete. Übrigens: Bevor die AOK in das Gebäude einzog, hat meine Schwiegermutter dort als Badegehilfe in der Badeanstalt gearbeitet. Um den Beitrag über die Keller, von denen es viele im alten Cottbus gab und einige noch gibt, zu finden, brauchen wir eine zeitliche Eingrenzung seiner Erscheinung.”

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