Man wagt sich’s kaum, das auszusprechen, viel weniger noch zu schreiben: Die Pandemie ist ein Glücksfall – für die deutsche Politik und besonders für die in Brandenburg. Potsdam hätte, turnusmäßig, die zentrale Feierlichkeit zum Tag der Einheit ausrichten sollen. Schon im Mai wirkte die Woidke-Staffel erleichtert: Bürgerfest? Geht nicht. Wegen Corona.
Die Wahrheit ist: Es gibt nichts zu feiern. Jedenfalls nicht am 3. Oktober. Friedrich (32) lebt mit seiner Freundin aus München in Dresden. „Feiertag. Wieso?“ fragen sie. Der Fall der Mauer brachte die Einheit an einem 9. November. War da noch was?
Nein. Da war nichts. Die Regierenden in Ost wie West hatten die Zeit gleichermaßen verschlafen. Weder in Berlin noch in Bonn ahnte jemand, wie reif die Früchte im Garten der Hoffnung hingen. So gab es in jenem Herbst nur politisches Fallobst, und das ließ sich ein Jahr später am 3. Oktober nur noch faul präsentieren. Aus der friedlichen Revolution wurde Mord und Totschlag, Schäuble endete im Rollstuhl, Rohwedder und viele andere mussten sterben, eine Suizidwelle strich durch ostdeutsche Städte und Dörfer, Asylantenhäuser brannten. Schuld an allem war die DDR.
Deren Jahrestage allerdings hatten die Menschen überwiegend fröhlich gefeiert. Es gab stets Geschenke – mal ein Stadtzentrum, mal ein Kaufhaus, eine neue Straße, vor 45 Jahren die Cottbuser Stadthalle. Offiziell hieß es, die Bürger mögen stolz auf ihr Land und das Geschaffene sein. Manche waren das auch. Sie waren das Volk der DDR. Und sie sehen sich noch immer als Volk, nicht, wie die Regierung es möchte, als „Bevölkerung“.
Es wäre schwierig geworden, in diesen Zeiten ein großes Staats-Fest zu feiern. Mögen also die Wichtigen da oben in sich gehen und – mit Abstand unter sich und zum Volk – einen Staatsakt zelebrieren. Die hier unten setzen die Fehlersuche fort und halten einstweilen nichts von Bürgerfesten. J.H.
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