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Schrilles Getön

Die hochsommerlich gute Laune hat in dieser vierten Ferienwoche die Erinnerung an das Berliner Ungetüm getrübt. Am Dienstag jährte sich der Start zum Mauerbau von 1961. So krass jene Zuspitzung der Ost-West-Konfrontation damals war – sie löste sich nicht durch das Hochrüsten auf, sondern durch eine Politik der Gespräche, der Annäherung, des Verhandelns; letztlich einer Ostpolitik, die Willy Brandt den Friedens-Nobelpreis und dem deutschen Volk die Einheit brachte, um es ganz verkürzt zusammenzufassen. Welcher Kontrast zur heutigen SPD-Spitze, die zu neuer Hochrüstung einlädt. Bleigraue Wolken bedecken längst den politischen Himmel und bilden den Hintergrund zum Wahlkampf hier im Land, der aus den Augen verliert, worüber eigentlich zu befinden ist unterm Roten Adler. Das Land hat wirtschaftlich aufgeholt unter der nun ausgedienten Koalition und will hier im Süden den Strukturwandel meistern. Die Stimmen aber scheinen dem neuen Bündnis zuzufliegen, weil Sarah Wagenknecht am konsequentesten gegen Rüstung spricht, dabei allerdings nach den uralten Tönen der Marxisten trällert. Sie ist nicht mehr als die Linke Flöte im Orchester der christdemokratischen Violinen und Bratschen, der sozialdemokratischen Trompeten und Hörner, alternativen Trommeln und Pauken und einiger liberaler und Grüner Schalmaien und Triangel. Es ist ein schrilles Getön, das uns auf die Ohren und das Gemüt prasselt, und in wie vielen Sätzen diese Schicksalssinfonie geboten werden soll, steht vorläufig noch in den Sternen. Mit standing ovations wird am Ende keiner der Beteiligten rechnen können.
Wobei: Wenn BSW seinen Part noch mit erkennbaren landespolitischen Takten anreichern würde, könnte die Sarah-Gefolgschaft im flötistischen Stakkato gar noch das Dirigat übernehmen. Wehe, wehe, wenn sich in der Lust an solch entglittener Musik, der Freude am Lärm und einem Übermaß der Kontra-Bässe der gute Ton im Parkett und in den Rängen verliert. Es gilt, hochsommerlich gelassen durchzuatmen, mal ohne Musik. J.H.

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