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Thiem und der Kanzler

Sie sollten eigentlich verträglich miteinander hinkommen, der längst verewigte, in Fachkreisen hochverehrte Prof. Carl Thiem (1850-1917) und der ewig verwirrt erscheinende Kanzler Olaf Scholz. Der kam diese Woche zum 110. Geburtstag der Thiemschen Klinik in die Stadt, besser gesagt: gut abgeschirmt gegen deutlich vernehmbare Proteste ins Staatstheater, wo es nicht nur um ein Klinkjubiläum ging. Es geschah viel mehr, und Scholz hatte das schon im Wahlkampf versprochen, als er am
1. Mai 2021 am Klinkportal kurz die Corona-Maske abnahm und – ohne Publikum – vor die Presse trat: „Cottbus wird die unversitäre Medizin bekommen“, versprach er, und nun haben im April die Experten Grünes Licht gegeben. 3,7 Milliarden (!) Euro werden bis 2038 ungefähr je zur Hälfte vom Bund und Land in die Lausitz allein für dieses Vorzeige-Projekt gegeben. 80 Professoren sollen mit ihren 1 240 Mitarbeitern für digitales Gesundheitswesen forschen, auf 1400 Studienplätzen Ärzte ausbilden und zum Wohlstand in der Zeit nach der Kohle beitragen.
„Medizinische Unversität Lausitz – Carl Thiem“ heißt die Botschaft, die Kanzler Scholz und mit ihm die politische Elite um Ministerpräsident Dietmar Woidke sowie Thiemsches Führungspersonal zu feiern hatten.
Warum also lautstarke Proteste der Straße, wenn es doch um so gute Dinge für alle geht? Drinnen soll Scholz formuliert haben: „Zusammengenommen ist das, was hier gerade passiert, einmalig in Deutschland.“ Er meinte das Bahnwerk, die neue Uni, den Wissenschaftspark und all die Segnungen aus Steuergeldern. Aber er wird wohl auch die sichtliche Unzufriedenheit – trotz allem – gedanklich eingeschlossen haben.
Man fragt sich, ob angesichts offenkundig bekannter kritischer Lage im flachen Land solches Aufstacheln der Volksseele durch höfisches Zeremoniell zeitgemäß ist. Thiem jedenfalls hat geschuftet und ist damals an der Politik gescheitert. Die hat Krieg statt Wohlfahrt und sein Krangenhaus sogleich zum Lazerett gemacht. J.H.

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