Boxberger Braunkohlekraftwerk beweist Flexibilität / Partner der Erneuerbaren
Boxberg. Erst, wenn die „Probezeit“ vorbei ist, und permanent Leistung gefragt ist, zeigt sich, was eine Maschine wirklich leisten kann. So ist es auch bei Kraftwerken – beim Block R des Kraftwerks Boxberg. Nach zwei Jahren am Netz liegen nun erste verlässliche Zahlen vor. Und die überraschten selbst die Kraftwerker von Vattenfall. „Wir können mit dem neuen Block R flexibler auf den Strombedarf reagieren, als wir es prognostiziert haben“, berichtet Peter Skawski stolz. Der Leiter Blockbetrieb kennt alle Kraftwerksgenerationen in Boxberg wie seine Westentasche. Während der Block Q, der seit rund 15 Jahren zuverlässig Strom ins Netz einspeist, von 900 auf 540 Megawatt (MW) gedrosselt werden kann, verkraftet der neue Block R das Absenken von maximal 675 auf 200 MW völlig problemlos. „Gerechnet hatten wir mit mindestens 310 MW. Die Absenkung ist so stark, dass wir eine geringere Klassierungsgrenze bei der Landesdirektion Sachsen beantragten und genehmigt bekamen. Wir weisen nach, dass wir auch bei der niedrigen Energiemenge noch alle Grenzwerte dauerhaft einhalten. Ich rechne damit, dass wir den Kessel ab 1. März auf 200 MW drosseln dürfen, wenn es erforderlich ist.“
Die Ingenieure haben hier ganze Arbeit geleistet. Denn als der Erweiterungsbau geplant wurde, war der Anspruch an die Flexibilität der Kohlekraftwerke noch gar nicht so ein großes Thema. Sensoren, Software, Peripheriegeräte und nicht zuletzt die Leitstandsfahrer wurden während des Baus und der „Probezeit“ auf diese neue Aufgabe eingestellt. „Wir sind noch lange nicht am Ende unserer Möglichkeiten zur Flexibilisierung unserer Kraftwerke“, kündigte Kraftwerksvorstand Hubertus Altmann an. „Die neue Kraftwerksanlage in Boxberg ist ohne Frage die schnellste, sportlichste und im Verbrauch effizienteste in
Vattenfalls Braunkohle-Kraftwerkspark. Damit ist sie bestens geeignet, um als flexible Strom-Feuerwehr gleichermaßen die Netzstabilität und die Versorgungssicherheit zu unterstützen.“ Peter Skawski drückt das in einer weiteren Zahl aus. „Wir können den Block um drei Prozent pro Minute hoch- oder runterfahren. Das sind 18 Megawatt pro Minute. Das heißt, allein mit diesem einen Block können pro Minute sechs große Windkraftanlagen abrupt stehen bleiben.“
Runde Flammen
Der höhere Wirkungsgrad von 44 Prozent und die Flexibilität sind Höchstleistungen der Ingenieure. Peter Skawski erklärt die wichtigsten Änderungen anschaulich: Beim Block Q blasen wir Braunkohlenstaub und Luft schichtweise wie ein doppeltes Toastbrot in den Kessel. Jeder der 24 Brenner unseres neuen Block R dagegen verwirbelt vorher Luft und Kohlestaub, und dieses Gemisch wird durch eine runde Öffnung in die Brennkammer geblasen. Im Grunde wie beim Öl- oder Gasbrenner im Eigenheim, nur dass wir Kohlestaub verwenden und die Brenner etwas größer sind“, scherzt er. Das starke Drosseln der Leistung bedingt die Stabilität der Flamme. „Diese überwachen acht Flammenwächter neuester Generation. Schlagen vier von ihnen Alarm, wird der Kessel abgeschaltet.“ Grund ist die Gefahr, dass das nicht verbrannte Kohle-Luftgemisch zu einer Verpuffung führen kann. Das darf in diesen Dimensionen nicht passieren. „Der Einsatz von Flammenwächtern ist nicht neu. Diese neue Generation von Wächtern ist aber viel präziser und liefert genauere Daten zur Bewertung der Flamme“, so der Ingenieur.
Es ist Mittagszeit. Block R fährt auf voller Leistung. Draußen knallt die Sonne auf die Photovoltaikanlagen, aber Windstrom gibt’s heute wenig. Da wird Kohlestrom gebraucht.