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Cottbus: Von den Gestalten eines ruchlosen Jahrhunderts

Anmerkungen zur Bühnenfassung des Geipel-Romans „Umkämpfte Zone“ am Staatstheater Cottbus.

Grelles Licht aus tiefem schwarzen Tunnel blendet den Zuschauer unmissverständlich: Hier ist nichts Gemütliches zu erwarten. „Umkämpfte Zone“ wird zum Ort verbitterter, teilweise auch höhnischer Abrechnung mit persönlichen Niederlagen von aus dem Schoß der Macht gefallenen Indivividuen

Cottbus. Schockschwere Not. Was für ein Einstieg des neuen Schauspiels in eine Spielzeit, von der niemand weiß, ob es überhaupt eine wird! Das Publikum sieht sich in den schwarzen Tunnel seiner düsteren Geschichte getrieben, in der es sich von Judenmördern zu Produktionserfolgen verleiten und von kriminalisierten Kommunistenführern drangsalieren ließ. Wer starrsinnig leugnet, dass die DDR ein Unrechtsstaat war, soll sich das von den menschengroßen Figuren Schnatterinchen, Herr Fuchs, Frau Elster, Pittiplatsch und Sandmännchen recht niedlich vorflunkern lassen; er mag staunen, wer in denen steckt!
Ist das nun alles lustig, frustig oder einfach nur genial? Jedenfalls geht kaum etwas unter die Haut, aber manches auf die Nerven. Es fehlt dieser Art von politischem Theater einfach die Ästhetik eines Stückes, das dem Zuschauer erlaubt, sich mit Figuren zu identifizieren oder sich von ihnen abzustoßen. Die Teilhabe des Zuschauers ist hier nicht gefragt. Er wird vom Agitprop-Lärm amerikanischer StreetGangs in seinen Sessel geschmettert und hat zuzuhören, was geschrien oder skandiert wird. Die mühsame Arbeit des schon bei Jo Fabian erfundenen Cottbuser BürgerSprechChores, von Michael von Bennigsen geführt, versagt hinter Mund-Nasen-Bedeckung gänzlich, sein Beitrag lässt sich nur als Statisterie bewerten.
Ines Geipel (DDR-Spitzensportlerin), von der die Buchvorlage stammt, und Armin Petras (Absolvent der DDR-Hochschule für Schauspielkunst), der die Bühnebearbeitung verfasste und Regie führt, kennen die „Zone“ DDR aus der Von-oben-Perspektive und erklären nun in leicht bornierter Weise die gewesene Schieflage, in der sie mitliefen. Ohne Brüche führt ihr Tunnel von dem Rigaer Judenmörder auf die Tribüne der – jawoll – Cottbuser Maidemonstration, wo, soweit stimmt die Szene, ein begabter Cottbuser Schauspieler die Massen stimmgewaltig befeuerte. Es sind nicht eigene Ideen, die diese Figur auf dem Bühnenpodium schreit, lauter und lauter, je mehr sich abwenden. Erst gehen die Darsteller, dann das Publikum, denn es ist Pause. Das Volk widerspricht nicht, es wendet sich ab. Der Abend findet in die Gegenwart.
Gespielt wird engagiert. Besonders gefällt in explosiven Phasen Lucie Luise Thiede, die aber auch ganz leise, und am Ende mit ihrer Querflöte sentimental sein kann. Sie ist die erste, Susane Thiede die zweite Schwester des sterbenden Bruders, in dem wir mit Johann Jürgens einen Darsteller leiser Töne entdecken. Den Großvater und Vater gibt, die Last schleppend und dann doch funktionierend, Gunnar Teuber. Die Bühne baute Peta Schickart, Kostüme schuf Chinza Fossati. Viele neue Namen, viel Provokation.
Falls das Theater wieder spielen darf, sollte es den Menschen etwas durch die Zeit helfen. J.Hnr.

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