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Cottbusser Kupferstich

Wenn alte Bilder Neues erzählen
Eine Betrachtung von Klaus TRENDE

Kupferstich „Cottbus – Stadtpromenade“, Oswin Volkamer, 1981 

Seit vierzig Jahren sehe ich in meinem Arbeitszimmer auf eine Grafik. Das Bild ist ein Kupferstich von Oswin Volk-amer (1930 – 2016). Sein Titel: „Cottbus – Stadtpromenade“. Volkamer zählte neben Baldwin Zettl zu den maßgeblichen Kupferstechern Deutschlands. Sein besonderes Metier waren Stadtansichten und deren Architektur. Anläßlich des 825-Jahre-Jubiläums von Cottbus (1981) gab der Kulturbund eine Mappe mit Cottbuser Stadtlandschaften heraus. Diese enthielt grafische Auftragsarbeiten renommierter Künstler der DDR, so auch jene von Oswin Volkamer. Dass das Blatt neben meinem Schreibtisch einen vorzüglichen Platz hat, liegt wohl ein wenig an meiner sentimentalen Verbindung zu meiner Geburtsstadt. Soweit der Vorspann.

Jeder Einheimische weiß, dass die im Bild dargestellte Ansicht nicht mehr existiert. Das architektonische Ensemble der Stadtpromenade wurde nach dem Zusammenbruch der DDR in einem Akt von seltenem kulturhistorischem und politischem Vandalismus „abgerissen“. In der Folge auch die Carl-Blechen-Schule, die als geschichtsträchtiges Cottbuser Kleinod den verblendeten Konsum-Fanatikern im Wege war und nunmehr im Wortsinn nur noch Fassade ist.

„Wie Menschen denken und leben, so bauen und wohnen sie auch.“ So sagte es Gottfried Herder, der Kulturphilosoph der Weimarer Klassik. Und so reißen sie auch ab. Wie haben wir alle gedacht und gelebt in den vergangenen Jahrzehnten, da „vom Volk“ zugelassen wurde, dass – auch durch das Votum der Cottbuser „Stadtoberen“ – ein Schandfleck namens Stadtpromenade geschaffen wurde? Welche Möglichkeiten hat bürgerschaftliches Engagement heute? Ein Berliner Stadtplanungsbüro hat jetzt wichtige Fäden für Ideen und eventuell auch Realitäten in der Hand. Wesentlich scheint es, dass auch die Bürger – diesmal verbindlicher als beim Abriss – zum neuen Stadtzentrum Geist, Widerspruch, Verstand und Phantasie mit einbringen.

Und was erzählt ein altes Bild nun Neues? In einer Gegenwart, wo sich die sogenannte Arbeitsgemeinschaft der öffentlich rechtlichen Rundfunkanstalten des Landes im (Ver-)Urteilen der Landtags-Wahlergebnisse in einigen östlichen Bundesländern überbieten, genügt ein Blick auf die Cottbuser Stadtpromenade. In solchen Geschehnissen liegen auch die kausalen Ursachen zum Freuden- fest blauer Parteien.
Während in Chemnitz die Stadtväter selbst ein monumentales, 40 Tonnen schweres und sieben Meter hohes Karl-Marx-Monument, von einem Sowjet(!)-Bildhauer (Lew Kerbel) geschaffen, als kulturelles Erbe an seinem Platz ließen, war die Stadtpromenade möglicherweise ein Zuviel des „sozialistischen Realismus“.

In diese Reihe gehört auch das Kulturbanausentum des West-Imports und kürzlich geschassten Vorstandsvorsitzenden der LEAG, Thorsten Kramer. Auf seine Anordnung hin wurde die Symbolfigur der Lausitzer Bergleute, eine große Bronzeplastik der Heiligen Barbara, aus dem großen Vestibül des Unternehmens entfernt und in einen nicht öffentlich zugänglichen Tagungsraum verbracht. Ich selbst war vor fast zwei Jahrzehnten im Auftrag des damaligen Vattenfall-Vorstandes Prof. Kurt Häge mit der Ausschreibung und Auswahl der beteiligten Künstler betraut. Einer der profiliertesten Bildhauer Deutschlands, der Dresdener Peter Makolies, erhielt den Zuschlag. Er fertigte neben der überlebensgroßen Bronzeplastik der Barbara auch den mythischen Stein am Eingang zu Gut Geisendorf. Der Stein war zu schwer, um ihn zu entfernen. Vor dem Unternehmen (heute LEAG) war für lange Jahre eine symbolträchtige, bergbauspezifische Glas-Stein-Installation der Lausitzer Künstlerin Angela Willeke zu finden. Auch diese fiel vergangenes Jahr an dieser Stelle dem unmaßgeblichen „Kultur“-Urteil eines Thorsten Kramer zum Opfer.
Was sind das für Leute, die versuchen, Geschichte und Sozialkultur durch plumpe Handstreiche auszulöschen? frage ich mich beim Blick auf die Grafik der alten Stadtpromenade. Und wer läßt sie gewähren? Was den Abriß der alten Stadtpromenade betrifft, so wäre es an der Zeit, dass die Brandenburgische Technische Universität den ganzen Sachverhalt – wo auch Ross und Reiter benannt werden – in einer Diplomarbeit aufarbeiten lässt.
Wer aus der Geschichte nicht lernt, ist verurteilt, sie noch einmal zu erleben…

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