Die Frau an der Seite des Premiers prägte Forst und verstand sich auf Diplomatie und Erziehung.
Forst (J.H.). Wenn von Frauen an der Seite bedeutender Männer die Rede ist, wird sie (wie viele andere) vergessen. Franziska Maria Antonia Gräfin von Brühl. Ganz zu Unrecht. Vor allem aus Forster Sicht. Die Standesherrin von Pförten (ab 1740) und Forst (ab 1746), die ihre Briefe an Friedrich II. und ihre eigenen Söhne meist mit „Comtesse de Brühl“ unterzeichnete, hat an diesem Sonntag 300. Geburtstag.
Sie hat gerade in Forst Würdigung verdient, denn der Einfluss des Paares auf die Region war nachhaltig. Zwar lagen Brühls Machtzentren als Premier des Königs und Kurfürsten in Dresden und Warschau, seine nachhaltige Bedeutung als Adliger aber inszenierte er hier in Forst-Pförten. Er wurde Standesherr, und damit mehr als irgendein „Von“. Unverzüglich besetzte er die Schlüsselstellen mit erprobten Akademikern und wurde systematisch wirtschaftlich tätig. Forst verdankt seine spätere Blüte als Textilzentrum den Keimen Brühls und somit auch seiner Frau, die selbst in Planungen eingriff, Straßenläufe festlegte und zum Beispiel den Bau des Rathauses in Forst anordnete. Während ihr diplomatisches Geschick aus Briefwechseln unter anderem mit Friedrich II. bekannt ist, wurde ihre Tätigkeit als Standesherrin noch zu wenig erforscht. Sicher und hinreichend belegt aber ist ihre Weitsicht in der Erziehung ihrer Kinder, denen sie Bescheidenheit und eine auf eigener Leistung beruhende Lebensplanung auferlegte. Die Gräfin hatte elf Kinder; sechs wuchsen auf, zwei Mädchen, vier Jungen. Sie wollte sie nicht auf Schlachtfeldern sehen, sondern hielt sie streng zum Lernen an: „Ein junger Kavalier muss für den Degen wie für die Feder ausgebildet sein. Das erstere lernt sich leichter, das zweite erfordert Fleiß und ernstes Studieren“, schieb sie Aloys, dem Ältesten. Er übernahm das Majorat, schrieb Theaterstücke und machte Pförten zu einem Platz der Kultur. Seine Brüder erreichten nach dem Tod der Eltern hervorragende Stellungen in preußischen Diensten.
Die letzten Jahre der Gräfin waren vom Siebenjährigen Krieg überschattet, der die Familie zerriss und auch die Gestaltung der eben aufblühenden Herrschaft unterbrach. Immerhin hielt sie durch eine ausführliche Korres-pondenz die Familie zusammen. Pförten, der Ort in dem die später so erfolgreichen Kinder rein französischsprachig aufwuchsen, blieb somit auch über weitere Jahrzehnte (neben dem sächsichen Seiferdorf) ein familiärer Mittelpunkt. Die Gräfin erlebte den ersehnten Frieden nicht mehr; sie starb am 11. Mai 1762 in Warschau, wo sie auch beigesetzt wurde. 17 Monate später starb ihr zuletzt angefeindeter Mann, der in seiner Majoratskirche hier in Forst beigesetzt ist.
Ausführlich beschrieben ist die Persönlichkeit der Gräfin in dem Jahrbuch „NIEDERLAUSITZ zwanzig-siebzehn“. Darin klingt auch die innige, poesievolle Liebesbeziehung des Brühl-Paares an, die sich aus einer der schönsten und anrührendsten Korrespondenzen des 18. Jahrhundert erliest. Es sind zu Literatur gewordene Liebesbriefe, geschrie-
ben in Forst/Pförten und an die Jubilarin aus Warschau.