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Mittwoch, 23. Februar 1923: Spekulanten pokern um Proschim

Proschim
Schon Braunkohlenkönig Ignatz Petschek aus dem böhmischen Usti hatte Interesse an Proschimer Kohle.

Dieser Vertrag, der einer Bande der Berliner „Königin-Bar“ vor genau 99 Jahren die Revier-Rente eines ihrer Stammgäste sicherte, und zwar „inflationsgerecht“ den jeweiligen Brikettpreisen angepasst, gehört in das Kapitel des Lausitzer Klondike-Fiebers, das bis ins 20. Jahrhundert anhielt. Für das Dorf Proschim ist es eben erst beendet worden mit dem Verzicht auf weitere Grubenausdehnung.
Nur aus Chroniken wissen Alteingesessene, dass gerade ihr Dorf in den 1890er Jahren von einem reichen Abenteurer namens Eduard Carl Graf von Oppersdorff heimgesucht worden ist, der ahnungslosen Bauern Kohlerechte für ihre Waldparzellen abschwatzte. 335 Hektar hatte er bald in seinen Besitz gebracht, um damit zu spekulieren. Denn die Lage zwischen der Senftenberger Ilse AG und der Eintracht Braunkohlenwerke und Brikettfabriken AG mit ihrem Welzower Feld machte Proschim schon damals höchst interessant. Die Großen versuchten den Grafen in die Enge zu treiben, kamen aber nicht an seine Felder. Die Eintracht AG des Braunkohlenkönigs Ignatz Petschek, der im böhmischen Usti saß, ließ vor Ort ihren gewitzten Direktor Albert Wolf agieren. Der verhandelte nun allein mit Oppersdorff. Wolf wusste um die Alkoholsucht des Lebemanns, umgarnte ihn und erreichte im Umtrunk, dass der für 140 000 Mark Jahresrente all seine Proschimer Rechte an die Eintracht abtrat.
Der I. Weltkrieg und die folgende Inflation verdarben schnell die Freude über die Rente, und der stinkreiche Graf verfiel völlig dem Suff. Kumpane in seinem Berliner Stammlokal, die vermutlich nicht wussten, wo Proschim liegt, nötigten den momentan klammen Grafen und erwirkten die Übertragung der Rente von der Petschek-Gesellschaft auf sich. Diese Abtretung vom 23. Februar 1923 verwandelten die Schieber später in Eintracht-Aktien. Oppersdorff wurde eine Leibrente zugebilligt, die er nur einmal bezog, weil er 1924 in Berlin starb.
Ignatz Petschek hatte sich nun mit der Alleinerbin, Fürstin Maria Johanna Elisabeth Karoline Philemona von Radolin und deren Sohn Graf Peter auseinanderzusetzen. Sie meldeten Ansprüche aus den Proschimer Kohlefeldern an, und es entspann sich ein jahrelanger Rechtsstreit. Unterdessen änderten sich die Verhältnisse drastisch: Die Nazis kamen an die Macht. Petschek hatte sich eine „deutsche“ Biografie gezimmert und ließ am Tag der Ermächtigung in Welzow 21 Böllerschüsse abfeuern, währen die Radolins sich als blaublütige Herrenmenschen inszenierten und 1,3 Millionen Mark Abfindung von dem „jüdischen Wucherkonsortium“ des Ignatz Petschek bezogen. Doch die feinsinnige Fürstin wandte sich ab von der groben Macht und ging in die Schweiz. Petscheck starb 1934, sein Vermögen ging an „arische“ Konkurrenz.

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