Eine Theaterserie von Nicola Bremer.
Wer sich die Hölle als einen feurigen Ort glühender Schmerzen vorstellt, der irrt. Denn bekanntermaßen straft das letzte Gericht viel persönlicher. Lehrer*innen zum Beispiel sitzen bis zum Ende der Zeit in einem Bus voll miefiger Teenager auf Abschlussfahrt nach Lloret de Mar. Busfahrer*innen kommen übrigens in dieselbe Hölle. Dagegen die Schauspielerin: Sie steht im Jenseits, so ihr Sündenregister zu voll, vor ausverkauftem Haus. Das Spotlight auf sie gerichtet. Alle warten spannungsvoll – und sie hat den Text vergessen. Und welche Rolle sie spielt. Und wie das Stück heißt.
Und wer die zwei Kolleg*innen sind. Plötzlich wird sie des Textbuchs in ihren Händen gewahr. Und erblickt den Regisseur. Ganz vorn in der ersten Reihe. Er hält ein Schild in die Luft: Jetzt bitte lustig sein. Die Spielregeln dieser Theaterserie sind im Grunde ganz einfach. Drei Schauspieler*innen sprechen einen Text, den sie zuvor nie gesehen haben – und müssen dabei immer wieder spontane Regieanweisungen umsetzen. Selfies einer Utopie kratzt an den Krusten des Theaters – das ja bekanntlich die Welt bedeutet. Klingt revolutionär, ist aber vor allem lustig, denn Verbissenheit ist mega-out. 2018 wurde Nicola Bremer für Selfies einer Utopie von „Theater heute“ als bester Nachwuchskünstler nominiert. Der junge Autor und Regisseur präsentiert seine Vision vom streng reglementierten Anarcho-Entertainment. Die schräge Comedy ist kein Selbstzweck: Ihre Botschaft kommt daher in Gestalt des italienischen Pop-Stars Eros Ramazzotti. Um dessen fiktiven Auftritt kreisen die mit aktuellem Welt- geschehen gespickten Texte, die den Status Quo hinterfragen und den Ausbruch wagen.
So verwandelt sich die Bühne in einen Versuchsraum, in dem man sich ohne Konsequenzen der grenzenlosen Fiktion einer idealen Welt der Zukunft hingeben kann.
Do 8.10. 19.30 Uhr Premiere
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