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Liebe kann den Fluch des Lasters nicht besiegen

140405theater
Das Tor zur Lust ist eine prachtvolle Pforte in das Reich des Todes. Verdis „La Traviata“ kommt mit klassischer Wucht auf die Cottbuser Bühne, Cornelia Zink als Violetta (Mitte) und der kraftvolle Tenor Alexander Geller als Alfredo (vorn r.) wurden in der Premiere jubelnd gefeiert, ebenso das Ensemble um Regisseur Manfred Schweigkofler aus Südtirol | F.: M. Kross

Anmerkungen zur Manfred Schweigkoflers Inszenierung der Verdi-Oper „La Traviata“ in italienisch
Cottbus. Zuerst ist da nur ein großes, feuerrotes und sehr befremdliches Loch. Keine Musik. Die Frau, der noch Reichtum und Glanz gehören, liegt schwerkrank am Boden. La Traviata – die vom Wege Abgekommene, spürt ihr Ende.
Doch sie rafft sich empor, diese Violetta, suchend und besonnen gestaltet von Cornelia Zink und betörend schön gesungen. Ihre virtuose Meisterschaft erfüllt das Haus und trägt die von Verdi so unglaublich anrührend formulierten Gefühle in den atemlosen Raum.
Die Kurtisane gehört, so erzählt die Fabel, zur Pariser Oberschicht, doch ihr Gewerbe ist das Laster. Als sich ein Mann aus guter Gesellschaft in sie verliebt und die für sie wohl erste tiefe Beziehung anbricht, bäumt sich eben diese Oberschicht auf und weist der tragischen Frau die endlichen Grenzen.
Das Libretto fädelt ein Happyend an, aber Verdis „La Traviata“ hat den Tod zum Ziel. Dieser genauen Vorgabe folgt Regisseur Manfred Schweigkofler so präzise wie ein Historienschreiber. Keine Extravaganzen, keine lüsternen Tänze, keine tagespolitischen Anspielungen. Der Mann konzentriert sich ohne Tändelei auf sein Genre – anderes hat er früher mit Erfolg probiert: Schauspieler, Rocksänger, Kleinkunst-Produzent. Seit 2010 fesseln ihn die großen Opern: Elektra, Salome, Rusalka hat er an verschiedenen Häusern inszeniert. Jetzt diesen Verdi hier in italienischer Sprache (mit Übertiteln).
Ihm kommt ein geniales, oppulentes Bühnenbild entgegen, das Walter Schütze, freischaffender Gast mit langer Bindung ans Opernhaus Chemnitz, gebaut hat. Das erwähnte Loch, leuchtend umrandet, entpuppt sich als Eingang in die Welt des Lasters, noch viel mehr aber als prunkvolles Portal ins Reich des Todes, entlehnt den Architekturen der Friedhofsstädte südlicher Länder. Das schwere Bild transportiert schwüle Melancholie; zum Spielen taugt es allerdings nur wenig. Es reduziert den zweiten, notwendigen Handlungsraum auf dieses  dräuend lockende Guckloch. Umso erstaunlicher, mit wie wenigen Licht- und Grafikmitteln aus dem Platz der Turbulenzen  stille Natur werden kann.
Die Ausstattung ist wesentlicher Teil des bejubelten Erfolgs dieser Inszenierung. Hier leisten auch die Kostüme von Mateja Benedetti, einer slowenischen Designerin, das Ihre. Schrill kleidet sie den Chor und gestaltet ein Klima der Sucht nach Lust und Beliebigkeit. Dagegen erscheinen die Protagonisten in feierlichen Garderoben, als wollten sie eben die Würde dieses erahnten Totenreiches hinter sich wahren.
Neben der bezaubernden Cornelia Zinke auf der Höhe ihrer enorm gewachsenen Sängerpersönlichkeit erlebten die Premierenbesucher mit Alexander Geller als Alfredo die große Überraschung des Abends. Der junge Tenor auf dem Wege zur Wagnerstimme kommt zur nächsten Spielzeit ins Cottbuser Engagement (zur Zeit Neustrelitz) und wird sich damit selbst einen Gefallen, den Opernfreunde hier aber ein Geschenk machen. Kraftvoll, klar und dabei noch keineswegs gemüht wirkt seine Stimme. Viele Bravi zeigten ihm die Freude des Publikums an. Seine Gestik bleibt eigentümlich verhalten; hier kann Martin Schüler dem großen gesanglichen Talent sicher nützlich sein.
Diese „La Traviata“-Inszenierung wurde so außerordentlich gefeiert, weil ein wunderbares Ensemble schöne Impule von großartigen Gästen aufnehmen konnte. Die musikalische Leitung lag in den Händen von Evan Christ, dem es wohl auch ohne Gesangstexte zuzutrauen wäre, die aufwühlenden Gefühle dieser Notensprache zu kommunizieren. Meist setzt  das Stück die Instrumente sparsam flüsternd ein; Christ bringt alles in seelenvolle Balance. Großen Beifalls erfreute sich auch der Chor, einstudiert von Christian Möbius, und es meisterten alle Solisten ihre in dieser starken Inszenierung anspruchsvolle Aufgabe. Der souveräne Bariton Michael Bachtadze fiel als Alexanders Vater stimmlich auf. Der Gast aus dem georgischen Tbilissi ist in den Opernhäusern der Welt unterwegs. Also hier willkommen.
Die nächste Vorstellung ist am  Ostersamstag.       J. Heinrich

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