Auflagen-Millionär aus dem Lausitzer Grubenland wurde in Cottbus geachtet, geehrt und geächtet
Senftenberg (hnr.) Wer sich heute aus Deutschland auf die Spuren Alexander von Humboldts begibt, startet im Seenland oder möglicherweise auch in Cottbus. Bei Herbert Scurla, Sohn des Versandleiters Gotthelf Scurla der Grube Ilse. Am Senftenberger Reform-Realgymnasium legte der 1923 das Abitur ab, um dann in Berlin zu studieren. Ab 1945 lebte er in Cottbus und schuf ein großes literarisches Werk: Mehr als 30 Bücher schrieb er, die in der DDR und in Lizenz bei westdeutschen Verlagen weit über eine Million Auflage erreichten. Am bekanntesten sind die Biografien zu Alexander und Wilhelm von Humboldt, aber auch literarische Skizzen über „Deutsche, auf die wir stolz sind“ (Heinrich Heine, E. M. Arndt u.a.) haben die humanistische Bildung der Nachkriegsjugend geprägt.
Der Germanist und Wissenschaftshistroriker Dr. Gerd Simon aus Tübigen hat zu Scurla geforscht und sagt, dieser Schriftsteller sei „nach Blechen bedeutendster Sohn der Stadt“ Cottbus. Das stimmt nicht, weil Scurlas Wiege eben nicht an der Spree, sondern an der Kohlegrube stand, in einer 1946 zu Großräschen eingemeindeten Bergarbeitersiedlung. Der Lausitzer, der 1929 Erna Stolle heiratete, promovierte 1932 als Volkswirt in Berlin und Leipzig und brachte es im Nazideutschland zum hohen Regierungsbeamten für „auswärtige Kulturpolitik“.
Den Wandel 1945 machte er sich nicht leicht. Er wollte aus der westlichen Zonne zurück in die Lausitzer Heimat und wechselte mit Billigung der Amerikaner in die Ostzone, machte in der Cottbuser Tischlerei von Arno Kubsch eine Umschulung zum Tischler.
Schon früh schrieb er unter verschiedenen Pseudonymen für Zeitschriften, dann bald hoch anerkannt unter seinem Namen. Er war 1956 im Bezirk Cottbus der erste Blechen-Kunstpreisträger I. Klasse. Die weite Gedankenwelt des genialen Mannes aus dem Seenland war der Provinzpolitik jedoch suspekt. Mehrere Spitzel und „operative Maßnahmen“ wurden auf ihn angesetzt. Es kam gar zur Zerreißprobe zwischen Stasi- und SED-Spitze, als Scrula zwar rund um die Uhr observiert wurde, aber trotzdem mit dem Vaterländischen Verdienstorden in Gold geehrt wurde.
Der Dichter starb am 7.4.1981, doch, wie in vielen Fällen: Die Stasi obsiegte über Tod und politische Wende hinaus: Erspitzeltes wurde als Faktum verbreitet. Die brandenburgische Kulturpolitik duckte ab; der 100. Geburtstag Scurlas, eines bedeutenden Lausitzers, wurde 2005 verschwiegen.