Kein Weg ist so beschwerlich, wie dieser zu einem der schönsten Orte der Welt / Neun Kletterstunden in die vereisten Berge.
Eine Woche fahren wir schon auf dem Highway nordwärts, klettern über Gletscher. Endlich kommt die offizielle Nachricht: Der Weg zur Märchenwiese hat stark gelitten, ist aber passierbar.
Mount Everest und K2, die höchsten Berge überhaupt, erheben sich in dieser Region. In Sichtweite gar prangt der Nanga Parbat, Nummer neun an Höhe (8 126 m), bekannt als Schicksalsberg der Deutschen. Viele Opfer hat er gefordert. Auch Extremsportler Reinhold Messner kam 1970 ohne seinen Bruder Günther vom Gipfel zurück. Menschen, die – wie wir – nicht nach alpinen Rekorden jagen, wollen wenigstens zur Märchenwiese steigen, ein weltbekanntes Traumziel wenige hundert Meter unterhalb der Bergsteiger-Basisstation.
Seit 2001 versiegte wegen der Attentate der pakistanische Bergtourismus. Nachdem 2013 auf eben dieser Märchenwiese drei Chinesen, fünf Ukrainer, ein Russe und deren Bergführer in einem Racheakt für USA-Drohnenangriffe auf einen Talibanboss umgebracht wurden, wagte sich kaum mehr jemand an diesen Zauberort. Doch Pakistan leistet viel, um Besuchern wieder Sicherheit zu geben. Jene Sicherheit, die – wir wissen es leider – auch in Berlin, London oder Cottbus nicht mehr zu garantieren ist.
Wir brechen also auf. Nach langer amtlicher Startverzögerung durchschüttelt uns der Jeep, an den sich außen Polizisten der Spezialeinheit klammern, gehörig. Wo die Piste kaum 20 Zentimeter breiter als die Spurweite ist, springen sie ab, laufen voraus, hangeln sich erneut hoch.
Bald aber endet die Fahrt. Was kunstvoll aus Felsgestein zur Passstraße errichtet war und womöglich hundert Jahre hielt, haben jetzt Erdbeben und Schlammlawinen zerstört. Uns bleiben hier und wiederholt auch später nur schmale Grate am Hang, um voran zu kommen.
Zum Glück herrscht trockenes Traumwetter. Wir mühen uns vier Stunden bergan. In der Station neben einem Sommerdorf mieten wir Pferde. Es sind klägliche Klepper, die uns aber trittsicher rasch aufwärts tragen. Als es dunkel wird, halten die Pferde beim Licht unserer Stirnlampen durch. Doch bei 3 000 Meter Höhe weigern sie sich, über Eis und durch Tiefschnee zu gehen. Wir müssen absitzen und uns auf die Stöcke und unseren Mut verlassen. Es ist längst finstere Nacht. Trotz der beträchtlichen Höhe wächst hier noch dichter, hoher Fichtenwald. Unter den Bäumen fehlt bisweilen der Schnee, aber gleich darauf versinken wir bis zum Schoß, um dann wieder, an steile Felswände geschmiegt, einen unsichtbaren Abgrund zu umklettern. Zuletzt können wir einem Bergbach aufwärts folgen. Das Licht der Märchenwiesenhütte bringt uns einen letzten Adrenalinschub.
Kurz vor Mitternacht fallen wir erschöpft auf die Matten der Rundhütte, in deren Mitte ein Kanonenofen ballert und uns auf einigermaßen trockene Sachen für den kommenden Tag hoffen lässt. Der folgende Sonnentag entschädigt uns für alle Strapazen. Zur Basisstation des Nanga Parbat können wir nicht gelangen. Der Schnee hat sich dieses Jahr länger als sonst gehalten. Wir sinken tief ein beim Steigversuch. Immerhin: Wir sind dem Gipfel auf gut 3 500 Meter sehr nahe. Der Abstieg mit den herrlichen Fernblicken wird ein unbeschreiblicher Genuss.