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Guben: Ein Industriegebiet vor den Gubener Toren

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Die Gesamtansicht des einstigen Mühlenhofes Groß Gastrose, zu dem neben der Mühle auch eine Pappfabrik, eine Schmiede und Arbeiterwohnungen gehörten

Familie Lehmann nutzte Wasserkraft voll aus
Das imposante Bild sorgte für reichlich Zuschriften und Anrufe. Christian Lehmann löst wie viele andere: „Es handelt sich um die Mühle in Groß
Gastrose! Als ehemaliger Gast-roser ist das markante Gebäude in der Mitte sofort aufgefallen.“ Arno Schulz notiert geschichtliche Details: „Erstmalig 1382 erwähnt, entwickelte sie sich zu  einer moderne Großmühle, zu der noch eine Pappfabrik und eine Tuchfabrik gehörten. Das weithin sichtbare Silo wurde 1932 erbaut. Leider nahm das Mühlen- und Fabrikgelände schwere Schäden bei den Kämpfen 1945. So sind die Fabrikgebäude völlig zerstört worden, ebenso die rechts im Vordergrund stehende Villa und die meisten Gebäude mit den Garagen auf der Neißeinsel. Ende der 50er, Anfang der 60er-Jahre wurde die Mühle zum Mischfutterwerk umgebaut. Als Mitarbeiter der Fa. Bellack habe ich dort dann die Sprinkleranlage und vieles mehr mit umgebaut. Damals wurden die Getreidewaggons noch mittels Seilwinde zur Entladestelle in die Mühle gezogen. Der Laufsteg um das Silo war noch begehbar, die kleine Brücke fehlte. Kurz nach der Wende wurde das Mischfutterwerk geschlossen und dem Verfall preisgegeben, nur das zur Mühle gehörende Kraftwerk liefert noch hoffentlich lange Strom in unser Netz.“
Günter Fischer aus Groß Gast-rose freute sich am Telefon über das Motiv und erzählt: „Der Grundgedanke für diesen Komplex war die Nutzung der Wasserkraft! Das Gewässer ist der Mühlengraben, die Neiße liegt hinter den letzten Häusern.
Es sind drei Fabriken auf einem Objekt: Rechts die Pappfabrik, davor eine Villa, die gehörte einem der drei Söhne, Carl Lehmann. Rechts von der Pappfabrik war die Schleiferei, noch weiter rechts ein Sägewerk, Schneidemühle genannt, die auch das Holz für die Pappfabrik verarbeitete.
In der Mitte das hohe Silo steht heute noch. Vom Silo links war die Übergabestation, wo Getreide aus-, und Mehl eingeladen wurde. Dahinter, etwas höher, war die Alte Mühle, da sind Mehle und Schrot von Roggen und Hafer verarbeitet worden. Links das große Gebäude, die Neue Mühle, wurde auch Weizenmühle genannt, weil hier größtenteils Weizen verarbeitet wurde. Links neben der Neuen Mühle, das kleinere Gebäude, das ist das Wasserkraftwerk.
Links neben dem Silo, weiter oben, befand sich eine weitere Villa. Es war später das Kontor, wo die Buchhaltung des gesamten Betriebes saß. Noch weiter hinten, das waren Wohnhäuser für ca. 25 Familien, die in der Mühle gearbeitet haben. Die Wohnungen wurden schon damals von Carl Lehmann sen. für die Arbeiter errichtet.
Ganz vorn, wo die Bäume zu sehen sind, steht ein Lkw am Übergang. Der Betrieb hatte zwölf Lastzüge, alle Mercedes, entweder mit dreiachsigen Zugmaschinen oder mit dreiachsigen Anhängern. Mit ihnen wurde das Mehl deutschlandweit bis ins Ruhrgebiet gefahren, und auf der Rücktour wurde Getreide mitgebracht. 1948/49 wurde der hohe Schornstein  gesprengt, der gehörte zur Schleiferei. Der Turm links daneben gehörte zur Pappfabrik.
Zu den Villen – eine vorn, die andere ist heute noch die Schule, die dritte stand hinter dem Silo, auf der anderen Seite der der Neiße, unmittelbar hinter dem großen Wehr. Die gehörte zu Sadersdorf. In den Villen wohnten die Söhne Hansi, Carl und Günther. Sie waren auch leidenschaftliche Rennfahrer und fuhren viele Rennen. Der Chef des Fahrzeugparks, Herr Kammermeier, war auch für die Rennwagen verantwortlich. Manchmal erzählten die Kraftfahrer Anekdoten aus ihrem Berufsleben. So mussten die Fahrer und Beifahrer jeden Samstagvormittag die Fahrzeuge reinigen, und anschließend sind sie nach Guben zu ‚Kotzan‘ gefahren und haben dort einen gebechert. Einer der Fahrer hatte die Abfahrt verpasst, rannte dem Auto hinterher und sprang auf den Kotflügel, wo er bis Guben sitzen blieb.
Ich durfte als Junge mit einem Plattenwagen, beladen mit Pappen, durch die Gegend fahren. Solche Momente vergisst man nicht. Mein Onkel hat in der Pappfabrik gelernt. Nach dem Krieg hatte er zum Müller umgelernt und war später Produktionsleiter in diesem Betrieb.
Der Streit der Mühlen in Guben und Groß Gastrose wurde zugunsten der Stadt entschieden und diese wurde dicht gemacht. Sie wurde zum Mischfutterwerk umgebaut.
Die vom Dorfe und die ‘Mühlenhofer’ waren sich nicht grüne, da gab es im Dorfleben schon mal Auseinandersetzungen. Aber: der alte Carl Lehmann war sehr geachtet und
hat sich sehr für den Ort eingesetzt. Zum Beispiel sponserte er die erste Tragkraftspritze.“
Die Einsenderin des Fotos, Gudrun Schuster, mailte zum Bild: „Im Jahr 1939 feierte die Mühle die 50-jährige Übernahme durch Carl Lehmann jun. Er hat sie am 3. Januar 1889 von seinem Vater, dem Stadtrat Carl Lehmann sen. aus der bekannten Gubener Tuchmacherfamilie, gekauft. 1910 kaufte Carl Lehmann jun. von den Erben seines Bruders Emil die Pappfabrik. Obwohl er kein gelernter Pappenmacher ist, geht er sofort mit Erfolg an maschinelle Verbesserungen. 1931 wurde ein neues Getreidesilo aus Eisenbeton mit 2 200 Tonnen Fassungsvermögen errichtet, 1934 das Mühlengebäude (li). Nach Plänen der MIAG Braunschweig werden dort die neuesten Maschinen der modernen Müllerei eingebaut.“
Vielen Dank!

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