Wieder sind wir in einer unserer prächtigen Städte der Vorkriegszeit unterwegs. Zu dem schöne Gubener Motiv schreibt S. Menzel aus der Gubener Klaus-Hermann-Straße: „Ein alter Gubener Blick um 1930, Ecke Pestalozzistraße und Cockerillstraße 3 bis 1 mit Wohn- und Geschäftshäusern. Schön zu sehen ist das Geschäft von Otto Brose in der Cockerillstraße 3, eine Papier- und Schulbuchhandlung. Die Cockerillstraße führte einst von der Grünstraße bis zur Gasstraße und war nach William Cockerill benannt, geboren 1784 im englischen Haslingden. Er wohnte und wirkte auf dem Klostermühlen-Gelände.“
Karin Czaja aus Kerkwitz hat unser Bild und die Straßenbeschreibung in einer anderen Veröffentlichung gefunden und zusätzlich Daten zu Wiliam Cockerill herausgesucht. Sie schreibt: „1816 erwarb Cockerill jun., geboren 1784 in Haslingden, Spross der bekannten und erfolgreichen englisch-belgisch-deutschen Industriellenfamilie Cockerilll, die Gubener Klostermühle. Am 29. Dezember 1816 erhielt er das Gubener Bürgerrecht. 1817 begann Cockerill mit der Errichtung einer Maschinenspinnerei in den Gebäuden der Klostermühle, zunächst mit Wasserkraft, 1818 kam eine Dampfmaschine hinzu – die erste in Guben. In den 1830er Jahren folgten weitere Industriebauten. Bis 1847 versorgten ausschließlich hochproduktive cockerillsche Lohnspinnereien die Gubener Textilindustrie.“ William Cockerill ist am 14. April 1847 in Guben gestorben. S. Sachse mailt uns, dass eben dieser Cockerill (das Stichwort „Dampf“ half ihm auf die Sprünge) parallel auch in Cottbus investierte und „seine erste Dampfmaschine im Fürstenhaus (Schloss) arbeiten ließ. 1930 baute er eine Fabrik, die in DDR-Zeiten das Stadtbauamt war und heute unter Denkmalschutz steht (s. Foto unten). Auch an der Kutzeburger Mühle hatte er eine Produktionsstätte.“
Ausführlich geht der Gubener Arno Schulz auf den Bildinhalt ein: „Wir sind in Guben an der Kreuzung Gasstraße / Kaltenborner Straße / Pestalozzistraße / Cockerillstraße (heute August-Bebel-Straße). Rechts die Häuser mit Front zur Cockerillstraße Nr. 1a, 2, 3 sind, seit die Straßenführung geändert wurde, etwa seit 1960 Teil der Kaltenborner Straße. Damit verschwand auch die im Kreuzungsbereich stehende Nor- maluhr. Die Gasstraße mündet jetzt direkt in die Pestalozzistraße. Dazu war es erforderlich, auch den Bahnübergang der Berlin-Breslauer Stecke (der war gleich links, aber nicht mehr im Bild) zu verlegen. Zuletzt wurde diese Bahnstrecke vom 31. Mai bis 4. Dezember 1994 befahren, danach erfolgte die teilweise Demontage. Auch das nach der Änderung der Straßenführung errichtete Schrankenwärterhaus wurde zurückgebaut. Links in dem großen Gebäude war früher der Gasthof ‘Schultheißquelle’, zu DDR-Zeiten HOG ‘Stadt Guben’. Das war eine gefragte Gaststätte, lange Jahre erfolgreich vom ‘Dicken Noack’ geführt. Ebenso hatte Bäckermeister Peschel zu DDR-Zeiten hier seine Bäckerei, der ein sehr umfangreiches Angebot an Backwaren produzierte. Zurück zur rechten Bildseite. Gleich vorn war Schreib- und Papierwaren Otto Brose. Nach dem Krieg war sein Geschäft allerdings auf dem Hinterhof, vorn hatte der Rundfunkmechaniker Benno Lürs sein Geschäft, daneben war ein kleiner Konsum mit Lebensmitteln. Zusammengelegt zu einem Geschäft, wurde später ein Laden für Beleuchtung und Elektroartikel eingerichtet, im Volksmund ‘Lampenladen’, den meine Schwester jahrelang leitete. Nach der Wende war dort eine Videofilm-Ausleihe, jetzt ist darin ein Radsporthaus mit Reparaturwerkstatt. Auf der gleichen Seite war einst die Fahrradwerkstatt Fröhlich, dahinter ein Konsumgeschäft für Textilwaren und ein Fleischer. Die Häuser hinter Brose hatten Kriegsschäden und waren teilweise ausgebrannt und wurden nach 1945 wieder aufgebaut.“
Mit so viel Faktenwissen können andere Leser natürlich nicht mithalten, freuen sich aber, so wie Inge Lange aus Spree-Neiße wieder darüber: „Ich kann diesmal keine Lösung anbieten, habe ich bin sehr gespannt, was die anderen schreiben. Das lese ich immer gern von der ersten bis zur letzten Zeile. Manchmal schaue ich mir dann auch die beschriebenen Plätze im Original an.“ Diesmal geht es also nach Guben. Und auch anderen Interessierten ist die Neißestadt immer sehr zu empfehlen. Es gibt dort ein Museum, das viel über die Geschichte der Niederlausitz erzählt.
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