Im zweiten Anlauf geglückt, könnte man sagen, und zur brandenburgischen Tagesordnung übergehen. Doch ganz so einfach bleibt das nicht mit der Wiederwahl des promovierten Forster Landwirts Dietmar Woidke zum Ministerpräsidenten und seinem vereidigten rot-lila-farbenen Kabinett. Die Bilder erwecken den Anschein, als würde der gescheiterte Deichgraf Platzeck seinen loyalen, um zwei Köpfe größeren Nachfolger noch immer vor sich hertreiben, und die gespielte Freude wirkt aufgetragen. Woidke selbst bleibt mit den 50 Stimmen, von denen die Herkunft der mehrheitsbeschaffenden zunächst unklar war, realistisch. Er wolle, sagt er, das Vertrauen für SPD und BSW vom Wahltage nun in Verantwortung ummünzen. Dafür hat die in Deutschland noch einzigartige Koalition einige plausible Absprachen getroffen, die in den Bereichen Soziales, Bildung und Infrastruktur schon recht überzeugend klingen.
In anderen Feldern gilt es, den Akteuren die Chance zu lassen, ihren guten Willen und ihr Potenzial unter Beweis zu stellen. Brandenburgs Bevölkerung sieht die Kombination aus geschwächter SPD und unerfahrenem BSW skeptisch. Besorgnis gibt es in Wirtschaftskreisen über den Wechsel im wichtigen Wirtschaftsressort. Für den vormaligen BTU-Präsidenten Prof. Steinbach, der den amerikanischen e-Auto-Hersteller ins Land holte, schickt Woidke einen bislang ohne Berufsabschluss agierenden Politik-Improvisator ins Rennen. Leistungssportler Daniel Keller hat sich auf den neuen Job mit einem Gewerkschafts-Fernstudium vorbereitet: Politik- und Verwaltungswissenschaften sowie Soziologie an der Fernuni Hagen. Gegenüber dpa nannte er seinen „großen Schwerpunkt“ zur Förderung der Wirtschaft im Lande – die Erhöhung des Mindestlohnes von 13 auf 15 Euro. Gerade prüft ein Staatsanwalt, ob der Nun-Minister seinen „akademischen Grad“ nicht zu früh in seine politische Biografie schrieb. Das wäre nicht nur peinlich, sondern auch strafbar. Die Luft ist dünn für Woidkes vages Politik-Modell. J.H.