Es war ein Donnerstag damals, sonnig mild, fast frühlingshaft. Gleich nach dem Fliegeralarm 11.35 Uhr waren diesmal Motoren zu hören. Erste Maschinen, von Süden kommend, warfen Zielmarken ab, 12.51 Uhr krachte am Bahnhof die erste Bombe, unzählige folgten in kurzer Zeit. Über tausend Tonnen Sprengstoff gingen aus 435 dröhnenden B-17-Bombern nieder. Aus dem Nachrichten-Krieg ist hier daheim der reale geworden. 145 Betriebe und 356 Häuser wurden zerstört, 3.600 Wohnungen beschädigt. 13.000 Einwohner wurden obdachlos, 3.000 verletzt, tausend oder mehr getötet. Die Opfer unter Flüchtlingen und Kriegsversehrten aus Zügen im verstopften Bahnhof wurden kaum erfasst, auch die aus verschütteten Luftschutzbunkern nicht.
Den Operationssaal des Krankenhauses zerstörte ein Volltreffer. Schwestern und Ärzten blieb keine Chance. 12.08 Uhr detonierte neben einem Lazarett- und Flüchtlingszug ein Munitionszug. Elfriede Gieler hatte sich im Gleis an ein Wagenrad gepresst und überlebte. In wilder Hast auf der Rampe und am Bahnhofsberg sah sie Flamen, Rauch, Trümmer und Grauensbilder. Bis ans Ende ihrer Tage in Eisenhüttenstadt konnte sie nur weinend von diesem Inferno erzählen.
Zeitzeuge aus der Thiemstraße, direkt gegenüber der getroffenen Lutherkirche, ist Joachim Rohde. Er war sechseinhalb damals. Luftdruck schleuderte ihn vom Fenster in die Wohnung. Das Haus Nr. 131 blieb stehen, die rechts und links stürzten ein. Im Keller jammerten dicht gedrängt Bewohner dreier Häuser, denn der Luftschutz hatte ahnungsvoll für Durchstiege von Keller zu Keller gesorgt.
Vor allem aus der Südstadt gibt es viele ähnliche Schilderungen, auch verbunden mit Erlebnissen von Hilfe in großer Not. Denn dieser schwarze Tag war erst der Anfang vom bitteren Ende jenes wahnsinnigen Krieges. Bald vernahmen mühsam Aufräumende das Donnergrollen der heranrückenden Front. Die vielen Verluste für die stolze Textil- und Verwaltungsstadt – Rathaus, Oberkirche, Hotel „Weißes Ross“, Dreiferteck, Burgstraße, Sprem – standen bei der Einnahme der Stadt am 22. April noch bevor.
Am kommenden Dienstagmittag werden wieder Kirchenglocken läuten zur Erinnerung an die Menschen, die sterben mussten. Sie läuten auch für ein Besinnen, Frieden zu bewahren. Frieden im Kleinen, und erst recht und unbedingt im Großen.
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