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Senftenberg: Die neueBühne spielt „Eine Weihnachtsgeschichte“

Dickens in purer Härte

Seine Geldgier macht ihn hart und unerbittlich – Daniel Borgwardt ist der Ebenezer Scrooge, der hier die Bittende abweist

Senftenberg. Kaum ein anderer Autor der Weltliteratur hat die Not der leidenden Kreatur so unbarmherzig, so authentisch und immer spannend erzählt, wie Charles Dickens. Auch seine Figuren des Bösen leben wirklichkeitsnah in ihren eisigen Motiven. Und sie können sich – freilich nur bei märchenhaftem Hintergrund – zum Guten wandeln. Solch einen Fall behandelt der von Philipp Löhle für das Theater bearbeitete Stoff „Eine Weihnachtsgeschichte“.
In Szene gesetzt hat diesen Dickens ein hier in der Lausitz guter alter Bekannter: Alejandro Quintana, einst Oberspielleiter am Cottbuser Staatstheater und zuletzt am Theater Heilbronn tätig. Auch für Senftenberg hatte er schon inszeniert, und jetzt, vor Weihnachten, wollte er zeigen, wie auch aus dem ganz Bösen Gutes sprießen kann. Am Schluss singen alle Beteiligten gemeinsam Weihnachtslieder, und das jugendliche Premierenpublikum erklatschte sich ein da capo. Es waren durch die Niederungen des Schlechten im gefälligen, aufrechten Spiel die Herzen erreicht. Immer wieder eine schöne Möglichkeit guten Theaters, die vermeintlich wenig trainierten Sinne herauszufordern: das Weinen und Lachen, das Mitfühlen und die echte Freude. Andrea Eisensee hat die Ausstattung mit großem Aufwand hergerichtet und ein paar kleine Tricks ermöglicht. Die ganze Bühnenfläche ist in kühler, informativer und detailreicher Grafik ein Idyll und zugleich ein fremdelndes London im Frühkapitalismus. Ein zartes, härmelndes Wesen piepst in spürbarer Kälte „Stille Nacht, heilige Nacht“…
Es öffnet sich ein protziges Kontor und gefühllos verhört der raffgierige Scrooge (Daniel Borgwardt sehr versammelt, ohne jegliche Ausfälle in seinem Geschäftsverständnis) die Schuldnerin. Zahlen möge sie, samt Zins und Zinseszins. Krankheit? Ach was! Aber etwas geschieht in diesem Falle. Weil Weihnachten ist? Oder weil sein Kompanion aus dem überdimensionalen Goldrahmen steigt und weil Geister der früheren und der gegenwärtigen Weihnacht beschworen werden?
Wie auch immer – Dickens weiß zu überraschen. Aber auch das kleine Team aus nur sechs Spielern leistet Großes. Außer Borgwardt, der Hauptperson, sind alle in mehreren Rollen unterwegs: Anja Kunzmann, Marianne Helene Jordan, Sebastian Volk, Eva Maria Kreder und als Gast Erik Brünner erzählen diese ergreifende, bisweilen durchaus auch skurrile Geschichte mit überzeugenden Mitteln und selbstbewusster Konzentration. Nichts wird überzeichnet, und obwohl die Handlung deutlich in ferner Vergangenheit liegt, und auch in entspre- chend englischer Weise erzählt ist, sind die Gründe für Zweifel und Besinnung doch nahe dem Heutigen. Da leistet die Inszenierung wirkliche Momente der Verzauberung. Es gab viel Beifall für Sehenswertes, großes Theater. J. H.

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