In den Wipfeln toben Affen, zwischen den Felsen schäumt der wilde Nil
Von Nairobi bis Uganda sind wir auf Straßen oder kaum befestigten Pisten gefahren. Nördlich der kleinen Westernstadt Masindi finden wir den Regenwald und die spektakulären Murchison Falls.
Erst vor 150 Jahren haben Forscher auf der Suche nach der Quelle des Weißen Nil dieses anhaltende Naturschauspiel entdeckt. Eine „Nilquelle“ ist bis heute nicht unumstritten definiert; der längste Fluss der Welt, sagen die einen, beginnt am Ausfluss des Viktoriasees. Er kommt schon 900 km weit als Kagera-Nil von Norden zum See geflossen, meinen andere. Egal: Hier wälzt sich der Fluss, immerhin schon 50 Meter breit, träge durch das Hügelland, um sich dann auf nur sechs Meter Breite bei 43 Meter Gefälle durchs Gefels zu pressen. Es donnert und zischt, hoch sprüht die Gischt und ständig leuchten Regenbogen über diesem faszinierenden Schlund. 300 Kubikmeter Wasser preschen je Sekunde durch die Schlucht. Längst nicht alle Fische überleben das Tosen, und so haben unterhalb lauernde Krokodile und andere Räuber permanent reiche Frischkost.
Ohnehin bietet die Nahrungskette dieser Gegend jedem Wesen Futter zur Genüge. Die turbulente Flussenge liegt mitten im Murchison Falls National Park. Im satten Dickicht malmen fast schwarze Elefanten das Buschwerk, umgeben von schneeweißen Kuhreihern und die Rücken voller starengroßer Madenhacker, die mit ihren roten Schnäbeln Dickhäuterkosmetik leisten.
Ständig des Weges mit uns sind die schmalköpfigen Kuhantilopen und vor allem Impalas. Diese eleganten Antilopen beobachten wir auf ihrem Hochzeitsplatz auf einem sandigen Hochplatteau. Wer hier Lust auf Sex hat, findet sich ein – ob Bock oder Ricke. Die Herren verhakeln sich zwar ständig in harmlosen Imponierkämpfen, aber die wären gar nicht nötig; die Damenauswahl ist groß, ebenso wie die beiderseitigen Begehrlichkeiten. Ein fröhlicher Liebestanzplatz.
Pumbas, die koboldigen Warzenschweine, emsig am Wegesrand pickende Perlhühner, zierliche Meerkatzen, auch Büffelherden und einzelne Rothschildgiraffen und immer wieder Antilopen tummeln sich in offener Savanne, ehe wir südwestlich, unweit vom Lake Albert und der Grenze zur Republik Kongo, den Budongo Forest erreichen. Wildhüter leiten uns auf schmalen Pfaden durch diesen Regenwald aus einigen mächtigen und vielen schlanken Mahagoni-Bäumen. Wir vermeiden jedes Knacken, damit James die Schimpansen akustisch orten kann. Dieser lichte Wald aus sattem Blattgrün und hellrotbraun-schorfigen Stämmen des Mahagoni hat eine heitere Stimmung. Wir steigen über große Brettwurzeln von Baumriesen und sehen, wie sich über uns, vielleicht 30 Meter hoch, Dünnstämme beugen. Schimpansen hangeln wie die Hochseilartisten von Krone zu Krone. „Uuii!“ Ein gellender Schrei, und schon kreischt der ganze Wald. Eine kurze Verständigung, dann herrscht wieder Stille. Unweit bewegt sich der Strauch, am einzelnen Stamm steigt ein Schimpanse aufwärts, dann ein zweiter. James formt mit halboffenem Mund einen dumpfen Laut und drängt uns vorsichtig ins Unterholz. Ein Stück noch, wieder der Laut. Dann sitzt vier Meter vor uns der Schimpanse. Still hockt er, blickt zur Seite und immer wieder aufwärts. James, das wissen wir, hat ihn gerufen, und wir dürfen ihn nicht bedrängen. Als kenne er seine Aufgabe, lässt er uns fotografieren, geht dann gelassen seitwärts, steigt hinauf in seinen Affentag.
Vielleicht jagt der Kletterkünstler mit seinem Trupp heute noch eine kleine Antilope. Einmal pro Woche, sagt James, wollen die Tiere Fleisch. Sie sind schlaue Teamjäger. Sonst gibt’s täglich Blätter und Sprosse. Ihr Walddach hat genug davon.