Wer nach Griechenland reist, kommt um die Mythologie nicht herum und ist auf Kreta bestens aufgehoben. Zeus, der Schwerenöter, kam hier in einer Höhle zur Welt, wo ihn Mutter Rhea heimlich mit Honig und Ziegenmilch aufpäppelte, weil Zeuger Kronos aus Angst vor Machtverlust schon alle früher geborenen Geschwister aufgefressen hatte. Schauerlich, aber Touristen eilen gern zur Geburtshöhle bei Heraklion, vor allem die europäischen. Denn Zeus hat später als weißer Stier die schöne Europa erobert, schwamm mit ihr nach Kreta, wo sie drei Kinder zeugten. Ein Übler aus der Sippe war Minos, König auf Kreta und Vater des Ungeheuers Minotaurus, dem alle sieben Jahre sieben junge Männer und Frauen geopfert werden mussten, weil der athenische König einen Sohn von Minos getötet hatte. Und warum? Weil der als Kreter die Athener im sportlichen Wettkampf besiegt hatte! War das olympisch?
Wer in Heraklion, wie einst Herakles, der den kretischen Stier fangen wollte, an Land geht, bestaunt im archäologischen Museum reiche minoische Kultur. Der zugehörige Palast allerdings ist ein Nachbau aus Stahlbeton.
Nach all den Geschichten staunt jeder Gast, dass trotz all diesen Götterkults Kreta eines der frühesten Orte des Christentums ist. Apostel Paulus kam im Jahr 35 mit Titus nach hier; der blieb und wurde erster Bischof. Uralt sind die Klöster auf der Insel. 36 sind noch mit wenigen Mönchen oder Nonnen aktiv.
Das heilige Arkadi nimmt darunter eine Sonderstellung ein. Etliche Kilometer westwärts und dann hinauf in die Berge führt der Weg. Auf etwa 500 Meter Höhe liegt das Nationalheiligtum. Es macht einen wehrhaften Eindruck, und in der Tat wurde die Anlage aus dem 11. Jahrhundert 1866 zur Festung, von 15 000 Türken belagert. Mönche und Pilger gingen ins Pulvermagazin, um dem Feind nicht lebend in die Hände zu fallen. 964 Menschen waren im Kloster. Es gab eine gewaltige Detonation. Nur 114 Gläubige gerieten in Gefangenschaft. Der Rest und 1 500 Türken starben. Es heißt, der Abt selbst habe das Pulver gezündet. Es ging von diesem Ereignis ein Freiheitssignal um die Welt, aber erst 1897 wurde Kreta unabhängig, kam 1913 zu Griechenland.
Tiefe Schluchten lassen den schweren Weg der einstigen Pilger ahnen. Heute ist fast jeder Quadratmeter mit Olivenbäumen besetzt. Öl ist das Hauptprodukt der Gegend. Wo Gras wächst, weiden Ziegen oder Schafe. „Kühe gibt es so wenige, dass wir jede mit Vornamen kennen“, sagt eine Kreterin. Sie schwärmt für Rethymnon, die romantische Hafenstadt mit schönen Bauten aus venezianischer und osmanischer Zeit. Unterhalb einer Festung reihen sich nahe am blauen Meer Lokale aneinander. Nur wenige Tische sind nahe am venezianischen Brunnen besetzt. Der Tourismus kommt nach Corona nur schleppend in Gang, noch immer sind Tests vor der Einreise vorzuweisen. Aber das Bedürfnis, sich mitzuteilen ist groß. Vom russischen Bürgermeister Kuzerowski (das ist über 100 Jahre her) schwärmen die Einheimischen noch heute. Damals erblühte das Städtchen kulturell. Vor 80 Jahren im Mai (Unternehmen Merkur) wurde Kreta deutsch besetzt. Das ist vergessen. Wer in der Loggia aus dem 16. Jahrhundert in der Stadtmitte, heute Verkaufsraum des Kulturministeriums, eine Kopie griechischer Kunst zu erwerben sucht, wird sehr freundlich auf deutsch beraten.
Apropos Kunst und Heraklion: Als die kretische Hauptstadt noch Candia hieß, ist hier 1541 El Greco geboren, „Der Grieche“, der heute als bedeutender spanischer Maler gefeiert wird. Von Nikos Kazantzakis (1883-1957), der den „Alexis Sorbas“ schuf, ist das Grab sehenswert. Es trägt die Inschrift: „Ich erhoffe nichts, ich fürchte nichts, ich bin frei.“
Schön, wer das sagen darf.
Demnächst: Die Meteora-Klöster
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