What a delightful day! What lovely weather”, rief ganz begeistert der Reisebegleiter des Fürsten Pückler, welcher himmlische Tag, welch liebliches Wetter. Naja, naja, dachte Pückler, “das Wetter war leidlich, das heißt es regnete nicht.” Er war wieder on the road, er war auf dem Weg zu dem Höhepunkte seiner Besichtigungstour durch Irland im Sommer und Herbst des Jahres 1828, er war unterwegs zu der imposanten Ruine auf dem Felsen von Cashel. Er hatte sich auf den Bock der Mail, der Postkutsche, geschwungen, die Zügel der vier Pferde in die Hand genommen und kutschierte den großen Wagen mit fast einem Dutzend Passagieren selbst. Für Cashel, auch heute Highlight jeder Irlandrundreise, hatte der Fürst sich Zeit genommen, er blieb über zwei Wochen. Die gekürzten Zitate entnahmen wir seinem Buch “Briefe eines Verstorbenen”. Die Zwischenüberschriften sind die Anreden in den vier Briefen, die er über diesen Reiseabschnitt an seine Fürstin Lucie daheim in Muskau sandte.
Geliebte Teure!
Am 8. Oktober 1828, nachmittags 4 Uhr, verließ Pückler die Stadt Cork und kam spät abends in Mitchelstown an. Wegen der Besichtigung des neuen Schlosses stieg er im Gasthof ab, doch welche Enttäuschung am nächsten Morgen: “Man zeigte uns einen großen und kostbaren Steinhaufen, der 50000 Pfund Sterling gekostet hatte, eine Haupt-Ingredienz war aber dabei vergessen worden, nämlich guter Geschmack.” Am nächsten Abend ward Cahir erreicht. Der Wirt dort erzählte die neueste Sensation: Ein fremder Prinz, wohl ein Sohn Napoleons und in geheimer Mission bei O’Connell, hätte seinen Wagen nach Cashel vorausgeschickt. Pückler war entzückt, denn es war sein Wagen, der vor über zwei Wochen von Limerick abgegangen war; er wurde also für einen Sproß Napoleons gehalten – bonheur, welche Ehre. Das mußte man doch sofort nach Hause vermelden. Als er spätabends in Cashel ankam, ging er noch lange nicht ins Bett, sondern schrieb einen langen, langen Brief an Lucie, der heute sechs Druckseiten füllt.
Geliebte Gute,
ist der nächste Brief vom 10. Oktober 1828 betitelt, der nun den heiligen und hochromantischen Ort beschreibt: “Der ‚Rock of Cashel’ mit seiner berühmten, herrlichen Ruine ist einer der größten ‚lions’ von Irland und war mir nebst der Abtei von Holycross von Walter Scott selbst als das Sehenswerteste in Irland empfohlen worden. Es ist ein ganz freistehender Felsen mitten in der Ebene. Der König und Erzbischof von Cashel erbaute darauf sein Schloß mit einer Kapelle, welche beide noch merkwürdig wohlerhalten sind. Mit ihnen vereinigte sich die Kirche und Abtei, welche im 12. Säkulum hinzugefügt wurde. Das Ganze bildet die prachtvollste Ruine. Am Fuße des Rock’s of Cashel stehen die ebenfalls sehr sehenswerten Ruinen der Hore Abbey, die früher durch einen unterirdischen Gang mit dem Schloß zusammenhing.” Schon seit dem vierten Jahrhundert war die Felsenburg Sitz der Könige von Munster. Und hier war es, wo der Heilige Patrick, seit dem Jahre 432 Missionar Irlands, dem heidnischen König Aengus die göttliche Dreifaltigkeit erklärte. Zur besseren Anschaulichkeit nahm er ein Kleeblatt – bis heute Symbol des frommen Landes. Pückler war wie immer über Geschichte und Kultur bestens im Bilde, dabei muß man auch bedenken, das z.B. der erste deutsche Baedecker mit Irland erst 1889 erschien.
Teuerste Freundin,
schrieb der Fürst am 12. Oktober und berichtete von einem Ausflug nach Holycross – das berühmte Kloster werden wir in einem anderen Beitrag vorstellen, dazu gibt es dann auch die wunderbare Geschichte von Jonny Curtin, dem Schatzsucher. Unser Fürst war überall ein gern gesehener Gast, so wundert es nicht, daß er zahlreiche Einladungen zu Spazierritten, Landpartien und Jagdausflügen erhielt. Von einer Perforcejagd ein kleiner Bericht: “Einige der Herren stürzten, wurden aber nur ausgelacht, denn wer sich nicht den Hals auf der Stelle bricht, darf statt Beileid hier nur auf Verspottung rechnen.” Bei Bansha Lodge folgte dann “ein echtes Jagd- und Junggesellen-
mahl. Daß dabei ungeheuer viel getrunken wurde, kann man voraussetzen.” Auf der Rückfahrt gab es noch ein Naturspektakel: “Es war entsetzlich kalt, und der wolkenlose Sternenhimmel blinkte und flimmerte wie soviel Diamanten; zwischen der Straße aber und dem Rock hatte sich ein dichter Nebel auf die Erde gelagert, der auch die ganze Umgegend verhüllte, sich aber nicht höher als bis zum Fuß der Ruine erstreckte. Diese erschien nun, da ihre Basis unsichtbar war, wie auf Wolken gebaut, im blauen Äther mitten unter den Sternen stehend.” Der Besuch bei einem Landlord auf dessen Schloß mit vorzüglichem pleasureground weckte Heimweh: “Wann werden wir uns wiedersehen, wann wieder unter den drei Linden häuslich mit den Schwänen frühstücken?”
Liebste Julie,
so begann der letzte Brief aus Cashel am 17. Oktober, wieder war von Ausflügen zu berichten: “Wir brachten den ganzen Tag mit Spazierengehen in den herrlichen Bergpromenaden zu und saßen abends bis zwei Uhr morgens beim Mittagstisch” – ein Leben ganz nach Pückler-Art. Ein paar Tage später: “Ich lud die guten Landjunker vor meiner Abreise zu einem Fest bei mir ein. Früh gab ich ihnen ein Hahnengefecht, denn man muß mit den Wölfen heulen, dann Konzert des großen Pipers, einen Spazierritt auf ihren eigenen Pferden und zuletzt grand festin, grande chair et bon feu.” Großer Schmaus, viel Fleisch und gutes Feuer – Feuer in doppeltem Sinne, das war die richtige Mischung für ein ländliches Fest. Am nächsten Tag zum Abschied spielte der berühmte Bagpiper, der Dudelsackspieler Kean Fitzpatrick, der auch das Lob des englischen Königs erlangt hatte, ganz privatim für unseren Fürsten. Eine gute Gelegenheit, beim wehmütigen Klang dieser “kolossalen Papagenoflöte” mit alten irischen Weisen ade zu sagen.
Siegfried Kohlschmidt
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