Der Naturfilmer Sebastian Körner möchte dokumentieren, welchen Einfluss der Lebensraum auf die Tiere hat
Region (mk). Erst den Helm auf. Dann geht es los. Mit seinem Team filmt der Verhaltensbiologe Sebastian Körner am Dienstag die Förderbrücke des Reichwalder Tagebaus. Warum nimmt er die Förderbrücke auf? Schließlich will er doch Wölfe filmen. „Der Tagebau gehört eben genau zu der Landschaft, in der sich der Wolf hier in der Lausitz niedergelassen hat“, sagt der Wildbiologe. So konnte auch bereits beobachtet werden, wie das Raubtier mitten durch den Tagebau läuft. Genau diese Anpassungsfähigkeit an seine Umwelt fasziniert den Filmer. Im niedersächsischen Munster hat er Wölfe dokumentiert, denen die Nähe zu den Soldaten des dortigen Truppenübungsplatzes nicht abschreckte, sich hier niederzulassen. Nun will Sebastian Körner das Verhalten der Wölfe aus Munster mit den Lausitzer Wölfen vergleichen. Wie verändert sich die Verhaltensweise des Wolfes durch die Anpassung an den Lebensraum, möchte er wissen. Keine leichte Aufgabe. Zu Gesicht sind Wölfe nur sehr schwer zu bekommen. Sie sind in der Jagd sehr effektiv und gehen Hindernissen und somit dem Menschen aus dem Weg. Als erstes ist es für den Filmer wichtig, die sogenannten Rendezvous-Plätze zu finden. An diesen kommen die beiden Elterntiere mit ihren Jungtieren zur Nahrungsübergabe zusammen. Die meiste Zeit des Tages sind Welpen und Eltern getrennt. Auch dies ist für den Biologen ein Verhalten, das es so in der Natur kein zweites Mal gibt. Dass Eltern und Welpen in dem 250 Quadratkilometer großen Revier eines Rudels immer wieder zusammenfinden, beeindruckt den Filmer.
Bei seinen Beobachtungen, etwa wenn sich die einjährigen Wölfe um ihre jungen Geschwister kümmern, stellt der Biologe immer wieder fest, dass die Tiere von ihrem Sozialverhalten her geradezu prädestiniert dazu waren, treue Begleiter des Menschen zu werden. Während er sich einem Altwolf nie näher als 80 Meter nähern konnte, kommen die Welpen oft neugierig bis an den Mikrofonpuschel heran. Die Altwölfe schlafen während des Tages viel. Meist am frühen Morgen erfolgt die Beuteübergabe an die Jungtiere. Ein weit verbreiteter Irrtum, so der Verhaltensforscher ist, dass sich die Population der Wölfe in einem Revier erhöht. In einem Rudel jagen stets lediglich die beiden Elterntiere. Werden die Jungtiere geschlechtsreif, verlassen sie das elterliche Revier, um ein neues Rudel in einem anderen Revier zu gründen. Dank einem GPS-Sender wurde so dokumentiert, dass ein Wolf aus dem Nochtener Rudel bis nach Weißrussland lief. „Eine Regulierung der Wölfe ist somit nicht erforderlich“, sagt der Filmer. Auch wenn die Gesamtpopulation der Wölfe in Europa steigt, so ist bislang kein Fall eines Angriffs auf den Menschen bekannt geworden. Zu den Beutetieren gehören vor allem Rehe. In der Lausitz, erklärt Sebastian Körner, werden viermal mehr Rehe vom Jäger geschossen, als Wölfe erbeuten. Das Ergebnis der Verhaltensstudie der Lausitzer Wölfe ist im Herbst 2017 im Fernsehen auf ARTE zu sehen.