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Cottbus: Abgerissen war schnell

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In einer Staubwolke verschwunden: der „Großenhainer Hof“ mit den Häusern Thiemstraße 7 und 8

Abgerissen war schnell / Den Häusern in der Thiemstraße fehlte Sanierung
„Leider ist dieses Bild ein typisches Motiv für die Strategie der Zerstörung“, schreibt uns Ernst Becker aus Erfurt, dessen Eltern Cottbus 1958 verließen.“Vermutlich hat die Wohnungs- und Baupolitik der Kommunisten mehr Häuser zerstört, als alle Bomben des Krieges zusammen. Die Häuser, die privat waren oder für Besitzer im Westen treuhänderisch verwaltet wurden, verfielen, weil der Staat extrem niedrige Mieten vorschrieb und keinerlei Baumaterial für Reparaturen zur Verfügung stellen konnte. Es war wie eine Sekten-Religion: Altes, Privates vernichten, der Platte als Symbol des Sozialismus den Weg bahnen. Diese beiden Häuser, die Sie zeigen, könnten noch stehen. Ebenso die Burgstraße, die Klosterstraße und andere.“
Hans-Joachim Förster bekennt: „Bei mir kamen direkt Heimatgefühle auf. Ich habe in diesem Haus Thiemstrstraße Nr. 7 gewohnt. Ich arbeitete damals für VEM auf Montage. Als ich nach Hause kam, war ich noch der einzige Mieter in dem Haus. Der Umzug musste schnell gehen, denn die Bohrlöcher für die Sprengung waren bereits vorhanden.“

Ganz oben im Giebel die drei Fenster gehörten zu unserer kleinen Wohnung, erinnert sich D. Leubauer. Unser Leser hat die Häuser Thiemstraße 7 und 8 archiviert

„Es handelt sich um die auch von mir fotografierte Sprengung des Hauses Thiemstraße 7, Ecke Großenhainer Straße“ stellt Dieter Leubauer richtig fest. „Von 1962 bis 1965 habe ich mit meiner Familie in der kleinen Bodenwohnung in der 4. Etage dieses Hauses gewohnt. Im Erdgeschoss befand sich die Gaststätte ‘Großenhainer Hof’. Das Haus gehörte der Familie Gürschner. Es war noch teilweise vom Bombenangriff auf den Bahnhof beschädigt. Von den geringen Mieteinnahmen konnte das Haus damals wohl nicht umfassend saniert werden. Bald nach der Sprengung entstand dort ein großer Wohnblock, dem aber auch kein langer Bestand beschieden war. Nun steht dort in unmittelbarer Nähe das Knappschaftsgebäude. Nur der Baum – die Eiche vor dem damaligen Haus Thiemstraße 7 – der steht immer noch und hoffentlich noch lange.“
„Hallo liebes mb-team“, mailt Hagen Ruhland aus Cottbus, „in der Tat, es ist ein Frevel, dieser gnadenlose Abriss – scheinbar gründerzeitlicher – Bausubstanz. Das aktuelle Bild ist zu tiefst bestürzend, aber auch typisch für Cottbus. Natürlich kann bzw. konnte nicht erwartet werden, alles zu erhalten. Teilweise ist dies wirtschaftlich praktisch unmöglich (siehe den Berliner Hof). Wie auch immer – trotz wirklich schauriger Szene ein äußerst interessantes Bild. Mein bisheriges Lokalwissen reicht diesmal nur zum Raten. Ich tippe auf Thiemstraße und bin diesmal besonders auf die Auflösung gespannt.“
Horst Hauptmann aus der Cottbuser Max-Grünebaum-Straße weiß: „An der Ecke befand sich die Gaststätte ‘Großenhainer Hof’. Links verlief die Großenhainer Straße mit dem Betriebshof des VEB Kraftverkehr Cottbus.“ Herr Weichhold hingegen glaubte, das Bild habe nichts mit der Thiemstraße zu tun, es sei nur die Großenhainer. Aber auch andere Leser irrten diesmal.

Günther Erhard ergänzt aus berufener Feder, weil er seit 1969 Betriebsdirektor des VEB Maschinelles Rechnen war: „An dieser Stelle (heute Knappschaftskomplex) sollte ein Gemeinschaftsrechenzentrum entstehen. Der VEB Maschinelles Rechnen wurde mit der Bauvorbereitung (auch Abriss der vorhandenen Gebäude) beauftragt. 1972 war die Baugrube fertig, die ersten Betonelemente wurden geliefert. Ich wurde mit dem Investitions-Verantwortlichen zur Vorsitzenden des Rates des Bezirkes, Irma Uschkamp, einbestellt. Uns wurde erklärt, alle Baukapazität werde nun für den Kraftwerksbau benötigt. Es hieß: ‘Wenn wir nicht genügend Strom haben, könnt ihr auch mit euren Rechnern nichts anfangen.“ Uns wurde angeordnet, die Betonelemente zu verkaufen und die Baugrube dem Wohnungsbau zu überlassen. So geschah es. Die Häuser, die dann entstanden, gibt es schon nicht mehr.
Hartnäckig hält sich die Legende von einer Standort-Fehlplanung. Man habe vernachlässigt, dass Erschütterung von schweren Zügen die späteren Rechner durcheinander bringen könnten. Das ist natürlich Unfug. – So unverständlich damals der Abriss der Häuser auch gewesen sein mag – ohne Stadtring würden die heutigen Verkehrsströme auch nicht laufen.“

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