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Kommentar: Das gute Nahe

Die Reiseläden florieren wieder. Europas Grenzen sind offen, selbst die traditionellen Weihnachtsmarktfahrten und Silvesterpartys locken auf bunten Flyern. Ob das gut geht…?
Wer es liebt, unterwegs zu sein, fühlt sich befreit, fast so wie damals nach dem Mauerfall. Österreichs Täler und  die bayrischen Alpen entpuppten sich als Sehnsuchtsorte. Den dortigen Gastgebern erging es im 1990er Sommer so, wie jetzt dem hiesigen Gastgewerbe. Sie hatten in einer tiefen Flaute geschmort und konnten aufatmen: endlich wieder jede Menge Touristen! (Reise-)Freiheit schmeckt wunderbar – allen Beteiligten.
Der fehlende Planungsvorlauf führt jetzt viele Individualtouristen zunächst zu näher liegenden Zielen. Was sie erleben, überrascht oder macht bisweilen auch nachdenklich. Wir Niederlausitzer waren einst die Bewohner des östlichen Teils des Bezirkes Cottbus. Der erstreckte sich bis zur Elbe, heute Sachsen-Anhalts Gebiet, oder im Süden ins schöne Sachsenland. Die Gelegenheit war jetzt günstig, die Gegenden, mit denen es damals engere Verknüpfungen gab, wieder einmal aufzusuchen. Meere von rotem Mohn und blauen Kornblumen hüllen alle Landschaft in ein schreiendes Sommerkleid, das die Monotonie der Feldkulturen erst auf den zweiten Blick enthüllt. Nirgendwo wachsen mehr Zuckerrüben, und Kühe stehen selten auf Weiden und wenn, dann nicht schwarzbunt, sondern blassblond. Die Dörfer erzählen allesamt schweigend vom Wohlstand. Schöne Häuschen, frisch gedeckt, in blühende Gärten gehüllt und von Blaufichten beschattet, die mal „Schöner unserer Städte und Gemeinden – Mach mit!“-Koniferen waren. Menschen lassen sich nur ganz selten sehen. Wahre Schatzkästchen sind kleine Städte wie Dahme, Annaburg oder Bad Liebenwerda. Man könnte neidisch werden…
Indes: Sind wir nicht selbst auch Bewohner solcher Puppenstübchen? Das gute Nahe – es liegt überall.       J.H.

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