„Der Mai ist gekommen“ – das 180-jährige Frühlingsgedicht von Emanuel Geibel könnte in dieser Saison zur deutschen Hymne avancieren. Er formuliert alle Sehnsucht, die in frischen Herzen brennt, beginnt aber gleich, wie so viele Leserbriefe heutzutage, ironisch: „..da bleibe, wer Lust hat, mit Sorgen zu Haus!“
Nein, wie die Wolken wandern, so steht auch den Menschen gerade jetzt „der Sinn in die weite, weite Welt“, und auch das – heute unerfüllbar – steht schon im Lied: Und abends kehrt man dann ein: „Herr Wirt, eine Kanne, eine Kanne blanken Wein!“
Niemand kann das kleinreden: Reisen ist keine modische Marotte, sondern ein Ur-Bedürfnis, viel älter als Eisenbahn, Auto oder gar Flugzeug. „Wer weiß, wo in der Ferne mein Glück mir noch blüht?“ heißt es im Lied der Wanderburschen. Und wer sucht nicht verlorenes Glück in Corona-Zeiten?
Frau Merkel vermag es nicht zu versprechen, noch gar zu geben. „Wann wir darüber nachdenken können, Hotels zu öffnen, kann ich nicht sagen“, formulierte die beängstigend ratlose Kanzlerin kürzlich. Dabei ist doch das Nachdenken in der Pandemie nicht untersagt.
Die Wolken wandern und die Menschen erwarten das Handeln der Politik. Auch und jetzt gerade in Reiseangelegenheiten. Die Hotels, über die unsere Kanzlerin nicht nachdenken will, sind bestens gerüstet für Besucher und haben letzten Sommer bewiesen, dass Herbergen keine Hotspots sind. Wie also kann das Reisen gehen? Mit gelbem Impfpass im Jackett oder Testergebnis auf dem Handy? Oder wird es grüne Zertifikate geben wie die grünen Abgasplaketten für Autos? Vielleicht aber auch digitale Immunitätsnachweise?
Vieles ginge, auch wenn der ADAC als risikofreie Reiseziele nur Grönland, Australien und China nennt. Deutschlands Grenzen seien offen, heißt es. Blüht unser Maien-Glück tatsächlich nur in weiter Ferne? J.H.
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