Anmerkungen zu Prokofjews „Die Liebe zu den drei Orangen“, Regie Tomo Sugao.
Cottbus. Auf die Musik von Sergei Sergejewitsch Prokofjew (1891-1953) freute sich das Publikum (man kennt hier das vielgespielte Werk „Peter und der Wolf“); mit der „Liebe zu den drei Orangen“ konnte es eher wenig anfangen, obwohl die Oper auch zu DDR-Zeiten in großen Häusern in Dresden und Berlin gegeben wurde. Wie sich der Meister selbst in das Libretto nach einer jahrhundertealten Vorlage von Carlo Gozzi hineingequält haben mag, bleibt rätselhaft. Es glückte ihm jedenfalls, nun im Exil in den USA, geniale Musik. Er war 1918 der brachialen Oktoberrevolution ausgewichen, kam aber in den USA nicht zurecht, lebte dann in Frankreich und ab 1927 gelegentlich, ab 1936 gänzlich wieder in Moskau. Die Sowjetunion feierte ihn und er musikalisch sie. Dass sein Tod am 5.3.1953 keine Schlagzeilen machte und nicht einmal Blumen das Grab deckten, lag daran, dass der Diktator Stalin am gleichen Tag gestorben war.
Nun also „Die Liebe zu den drei Orangen“, komponiert in Amerika, in Cottbus. Premiere war am 27. Januar. Sie wurde sehr freundlich aufgenommen, weil sie mit übergroßem Kostümaufwand (Bühne und Kostüme Carola Volles a.G.), leidenschaftlicher Spiel- und Sangesfreude des Chores (Leitung Christian Möbius) und aller Solisten und wunderbarer, in jeder Phase die Stimmung tragende Musik (am Pult Johannes Zurl) dargeboten wurde.
Eigentlich reihen sich in dem Geschehen ohne klare Linie Banalitäten aneinander, überfüllen die Handlung mit jeder Menge Nichts. Ein Königssohn ist dem Trübsinn so derb verfallen, dass nur eine Lachtherapie helfen kann. Die missglückt, aber der Kerl lacht sich scheckig, weil eine Hexe stolpert, was die natürlich kränkt, und sie zaubert ihm die Liebe zu Orangen an den Hals. Damit nicht genug: In diesen damals in kalten Gegenden noch seltenen, hier überdimensionalen Früchten steckten schöne Mädchen, eine davon, kurz noch zur Ratte verzaubert, wurde die Braut des Prinzen. Liebe siegt über alles. Wenigstens darin ist das wirre Stück konsequent. Mehr sollte auch nicht sein, denn der Prolog legte fest, dass nicht Tragödie, noch Komödie, noch Liebesdrama, sondern alles zusammen zu spielen sei. Das geschah dann in diesem Theater auf dem Theater. Und es hat den traurigen König (Philipp Mayer) seinen gar nicht so traurigen Sohn (Konstantin Lee), die „mit Kugeln und Rattengift“ morddrohende Prinzessin Clarice (eine brillante Rahel Brede), den um Spaß bemühten prächtigen Truffaldino (Dirk Kleinke), die böse Hexe Fata Morgana (wieder wie in besten Zeiten Gesine Forberger), den eher weniger erfolgreich ums Gute bemühte Celio (ein souveräner Bassbaariton Andreas Jäpel) und all die anderen, vor allem aber den kompletten Chor mächtig inspiriert. In großer Leidenschaft und mit vielen Regieeinfällen wird turbulente Unterhaltung geboten, und als ob es nicht genüge, das Ohr mit so reichem Klang zu verwöhnen, wird das Auge noch von schier unerschöpflicher Farben- und Formenpracht überfüttert. Die Bühne gibt den flexiblen Raum her für regelrechte Massenszenen, die ganz in Weiß gehüllte, umso quicklebendigere Damen und Herren des Chores in Sturmwellen ausfüllen, darin die Protagonisten mit ihren höfischen Ausstattungen, die auch noch funktional bis ins Detail überraschen, wie etwa eine Königskrone, deren Zacken herabklappen zu Orschützern oder eben die wallenden Beinkleider und Kugelröcke. Eine Köchin wird gar durch selbständige übergroße Augen, mannshohen Mund und Nase aus dem Schnürboden herabgehängt und von Ulrich Schneider verständlich gesungen. Es war wenig, das da nicht möglich wäre, aber dahinter einen tragischen Sinn zu suchen, läuft völlig daneben. Es ist das Spiel um des Spieles wegen, vor allem aber der großartigen Musik zuliebe. Die Leute waren zufrieden und hatten einen guten Abend. Es lohnt sich, dies zu erleben. Nächste Vorstellungen sind Sonntag, den 25. Februar (schon 16 Uhr), und am den 30. März. J. Heinrich
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