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Theaterrezension: Schriller Krimi in göttlicher Musik: Puccinis „Tosca“

Anmerkungen zur ersten Oper der Spielzeit in Regie von Armin Petras und Stabführung von A. Merzyn.

Cottbus. Heiße Liebe in intriganten Konflikten, Eifersucht, Hass, Gier, Sadismus, Folter und das alles – kaum zu glauben – in göttlich schöner, dramatisch auch überraschender Musik – dazu glücklichste Besetzung mit der besten denkbaren Diva Elena O’Connor als festem Tosca-Gast, für zwei Vorstellungen dem strahlend jugendlichen Tenor Jérémie Schütz (Gast zu zwei Abenden), dem grässlichsten aller Bariton-Bösewichte Andreas Jäpel (wohlvertraut), einem auch sonst optimal besetzten Ensemble und ein mit viel Schwung geführtes Orchester – was will der hiesige Opernfreund mehr! Ja was? Eine Steigerung scheint kaum möglich, doch das Haus ist nur mäßig besucht. Wer kann, mag schnell nachbuchen. Diese „Tosca“ sollte Puccini, der die tolle Story dem berühmten Kollegen Verdi vorweggeschnappt hatte, nicht vergebens nach Cottbus geschickt haben!

In skrupelloser Gier fordert Polizeichef Scarpia (Andreas Jäpel) von der schönen Sängerin Floria Tosca (Elena O’Conner) sich ihm hinzugeben. Foto: Bernd Schönberger

Unser Musentempel stand noch nicht, als die Oper 1900 in Rom uraufgeführt wurde, wo sie auch handelt. Regisseur Armin Petras hat sie aus dem fernen napoleonisch-italienischen Konflikt zeitlich näher zur Balkankrise gerückt, wo die Zeitgeschichte noch üppigere Schurken darbietet. Die Menschheit wird nicht besser. Besser noch aber als vor neun Jahren, als er schon einmal diese Rolle darbot, kommt Charakterbariton Andreas Jäpel in die Zentralfigur dieser Fabel, den fiesen,  machtversessenen und wollüstigen Polizeichef Scarpia. Der lässt sich nicht einmal dazu herab, den Kavalier vorzutäuschen, um an die schönste aller Frauen zu kommen, vielmehr zwängt er sie in Terror und seelische Qualen ein. Sie muss zum Messer greifen. Petras hat besonders die Figuren des abscheulichen Scarpia und der Künstlerin Floria Tosca, die in diese ungeheuerliche Seelenfolter gerät, präzise gezeichnet. Sie springt am Schluss nicht verzweifelt oder gar panisch von der Festung, sondern sie verlöscht nach hinten im vergehenden Bühnenbild. Diese Bühne hat Jan Pappelbaum als Gast streng strukturiert; sie bietet goldene Säulen an für Glanzvolles, etwa für Tosca in ihrer Arie, und einen Kerker für Höllisches.  Mit der Amerikanerin O’Connor leuchtet eine Heilige der Kunst, eine Frau, die als Sängerin ganz dem Schönen verschrieben bleibt und als Liebende in Eifersucht rast, was ihre Manipulation zu ermöglichen scheint. Ihre Leidenschaft gilt dem Maler Cavaradossi, den in zwei Vorstellungen der an der Mailänder Scala aufgestiegene Jérémie Schütz (sonst Alexey Sayapin) singt. Die Kraft des Tenors größter Bühnen lässt die Theatervasen im Puppenhaus zittern. Fürs Auge wäre das Künstlerpaar vollkommener, wenn die Tosca etwas weniger hohe Absätze trüge, aber den Liebenden bleibt ohnehin wenig Zeit, zusammenzukommen, zumal der Künstler seiner Madonna nicht die dunklen Augen Floria Toscas malt, sondern die blauen der imaginären Kirchenbesucherin, die sich als Schwester des Freundes von Cavaradossi erweist. Womit der politische Ausgangspunkt berührt ist. Der Maler verhilft Staatsfeind Angelotti (Alexander Trauth) zur Flucht, der Messner (ganz beflissen Ulrich Schneider) und weitere Akteure beugen sich der Übermacht. Das Menschliche vereinsamt schmerzlich in dunkler Anonymität. Großer Beifall. Am Freitag, 1. November, ist nochmals Jérémie Schütz besetzt. Karten an der Abendkasse.    J. Heinrich   

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