In neuen „Niederlausitzer Studien“ schildert Dr. Roggan das Schicksal eines Spreewaldhauses/ Außerdem: Forst, Bloischdorf und Kunst in Kirchen.
Region (hnr.) Auch die Niederlausitz-Wissenschaft stöhnt unter Corona; beide Tagungen der Gesellschaft für Geschichte und Landeskunde (März in Cottbus und November in Vetschau) mussten letztes Jahr abgesagt werden. Immerhin konnte die hochgeschätzte Publikation fortgesetzt werden. In den Tagen des Jahreswechsels erschien „Niederlausitzer Studien“, Heft 45, diesmal mit teils üppig illustrierten Beiträgen, u.a. über Bildwerke des flämischen Malers de Vos in Kirchen rund um den Schwielochsee und zur Deutung eines weit zurückliegenden Schloss-Mordes von Altgolßen (heute Teil der Stadt Golßen). Andere Beiträge befassen sich mit dem wirtschaftlichen Erwachen der einstigen Mediatstadt Forst und der vormals katholischen Enklave Bloischdorf.
Deutlich breitere Leserkreise als diese wertvollen Aufsätze dürfte Dr. Alfred Roggans Hinwendung zum ältesten Wohnstall-Blockhaus der Niederlausitz ansprechen. Es wurde einst in den unwegsamen Kaupen errichtet, die der Fiscus noch nicht als Einnahmequelle entdeckt hatte. Mit über hundert Gehöften wuchs hier Anfang des 18. Jahrhunderts die „größte Schwarzbausiedlung der Neuzeit“ auf, was die Steuereintreiber König Friedrich Wilhelms I. zu ändern wussten. Der Cottbuser Dr. Roggan dringt tief in die Aktenlage ein und zeichnet den Konflikt zwischen „tückischen Wenden“ und der rigorosen Staatsmacht nach. Letztere ging so weit, dass sie zehn Mann mit Äxten aufbot, um das Anwesen des widerborstigen Martin During exemplarisch zu zerschlagen. Das bewirkte, dass am selben Abend alle anderen „frey und gutwillig sich offeriret den Zinß zu entrichten.“
Roggan reduziert sich also nicht auf Zimmermannsbeil, Mörtel und Richtlot, sondern schlägt das lebenspralle Spreewälder Geschichtsbuch auf, wobei die Vita des Hauses selbst spannend genug ist. Es kommt aus exakt jener „Schwarbauphase“, war die Kauper-Parzelle 87. Experten des BTU-Lehrstuhls Baugeschichte fanden dendrologisch heraus, dass die Grundschwelle aus Esche vom Wintereinschlag 1723/24 herrührt. Wie zur Bestätigung ist in den Wohnraum-Deckenbalken die Jahreszahl 1726 eingeschnitten.
Das können Interessenten heutzutage im Schlossberghof am Bismarckturm in Augenschein nehmen. Denn das Wohnstallhaus wurde 2005 in den Kaupen dokumentiert, gewissenhaft abgetragen und am neuen Ort wieder aufgestellt. Dahinter steckt das Engagement vieler Bürger der Gegend und heimischer Firmen sowie die Absicht, für die Bewahrung der Streusiedlung im Biosphärenreservat zu werben. Im einstigen Hause des Kaupers Hans Knigk, dessen Familie schon 1602 in Dorf Burg lebte, befindet sich heute, gut erreichbar für Touristen, ein Informationszentrum des Biosphärenreservats und der bundesweiten Interessengemeinschaft Bauernhaus (IGB).
In seinem Aufsatz in den „Studien“ geht Roggan auf die Mühsale der Kaupensiedler ein. Besagte Parzelle 211 lag 20 Zentimeter unter der zentralen Kaupenlandschaft, war also besonders nasses Sumpfland. Gewaltige Arbeitsleistungen waren nötig, um zwischen Erlengesträuch, Wurzeln und Haarweiden eine Wohnstatt samt Stall zu errichten. Es mussten 1,25 Meter tiefe Abzugsgräben geschaufelt werden, wobei Horstäcker entstanden. Die Stelle für den Hausbau wurde zusätzlich erhöht. In frühen Karten ist das Wohnstallhaus von 1726 als „markantes Bauwerk“ verzeichnet. Die Hinterlassenschaften der ersten Kaupensiedler-Generation sind, soweit überhaupt erhalten, mehrfach umgebaut worden, so auch das Wohnstallhaus von Kauper 87. Jede Phase der Veränderung ist dokumentiert. Roggan kommt zu dem spannenden Schluss, dass am Objekt Kauper 87 in Material und Machart kaum Verbesserungen nötig waren, weil die erste Generation der Hausbauer hier schon mit „hoher Professionalität“ am Werk war. Dieser Wohnstallbau, wie er jetzt zu betrachten ist, steht also „nicht mehr für die Zeit des Probierens im Bauen, sondern… für die Zeit erprobter Bauausführung.“ Bei absolutem Erhalt des Wohnbereichs hat es nur „sukzessive Auswechslungen“ im Wirtschaftsteil gegeben. Analoge Beispiele zeigen, dass dies im 18. und 19. Jahrhundert die Regel war, um veränderten Produktionsstrukturen (erweiterte Tierhaltung, differenzierter Fruchtanbau, Mechanisierung) zu entsprechen. Das 300-jährige Haus am Bismarckturm verdeutlicht also, dass die offensichtlich genügsamen fleißigen Spreewälder den Wirtschaftsteil ihres Anwesens stets den aktuellen Anforderungen anpassten, jedoch bis ins 20. Jahrhundert hinein den Wohn- und Küchenbereich so gut wie nie veränderten. Nur hier also lässt sich das wirkliche Alter von Spreewaldhäusern ablesen.
Wie alle Museen und touristischen Einrichtungen ist auch das hier beschriebene Blockhaus am Bismarckturm seit Monaten geschlossen.
Wer seine To-do-Liste für die Zeit nach Corona jetzt anlegt, findet in den „Niederlausitzer Studien“, wie übrigens auch in den NIEDERLAUSITZ-Jahrbüchern, fundierte Anregungen.
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