Szenische Lesung im Rangfoyer der neuenBühne Senftenberg

Erich Kästner
Als würde er sie eben zum ersten Mal lesen, die Briefe seines Vaters. Erik Brünner versetzt sich in die Lage von Thomas Kästner. Foto: Hnr.

Senftenberg. Der Dichter des „Doppelten Lottchen“ und „Emil und die Detektive“ hatte ein diffiziles Verhältnis zu Frauen. Biografen nennen ihn einen „flotten Casanova“. Aber ihn hemmte eine besondere Bindung an seine psychisch kranke Mutter. Auch ihretwegen blieb er, obwohl von den Nazis geächtet, in Deutschland. Später konnte er sich schwer für nur eine Frau entscheiden. Mit einer war und blieb er schließlich verheiratet, auch als er mit der anderen ein Kind hatte, Thomas, den Jungen, der Lehrer in Bayern wurde. Diesen verkörpert nun in einer szenisch fein angelegten Lesung im Rangfoyer der neuenBühne der Schauspieler Erik Brünner. Er sitzt da in einer spartanischen 50er-Jahre-Küche und hat ein Paket mit Briefen vor sich. Die Witwe seines Vaters hat die ihm geschickt, und nun schnürt er das Bündel erregt auf. Es gibt das Buch der Kindheitserinnerungen von Erich Kästner, und wohl daraus diese Texte in schöner, einfacher Sprache, in Metaphern, die im Kopf des Sohnes Bilder wecken, Rätsel um seine Oma, deren Auge sich verdunkelte, und um die sich sein Vater sorgte. Es gibt hier Beschreibungen der prachtvollen alten Stadt Dresden, die Erich Kästner, als er seine Vaterstadt später besuchte, zerstört und ohne jeden Ansatzpunkt für Erinnerungen vorfand. Auch das motivierte ihn, in den 1960er Jahren Aktivist der Friedensbewegung zu werden.
„Thomas“ ruft am Ende die frühere Frau seines Vater an: „Ich komme.“ Es gibt viel Beifall. J.H.

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