Leserbrief: Aus den Träumen gerissen

Die Zeit mit „Corona“ hatte auch so manchen Vorteil. Die Ämter, zum Beispiel, konnten nicht wie gewohnt „zeitnah“ handeln. Zu meinem Glück, denn sonst wäre mir schon das Weihnachtsfest verdorben worden. Mit dieser Botschaft der Rentensteuer.
Als ich nach einem langen Arbeitsleben in fröhlicher Runde ins Rentendasein verabschiedet wurde, saß ich verträumt da und überlegte, was ich mit meiner vielen Zeit und dem schönen Ruhestandsgeld so anfange. Ich sah mich schon mit einem Cocktail in der Hand am weißen Strand oder auf einem Elefanten sitzen, in einem Kanu auf dem Amazonas schippern, in den heißen Quellen auf Island schwitzen…
Jäh wurde ich aus diesen Träumen gerissen. Die Wahrheit kam auf einigen kleinbedruckten Seiten, aber deutlich lesbar. Und wie lieb sie mir mitteilten, dass ich auch in den nächsten Jahren doch die Reisebüros meiden sollte!
Nichts mit Cocktails und Elefantenrücken. Urlaub auf Balkonien sei angemessen. Und nicht monatlich dem Enkelchen Talerchen auf das Konto überweisen, sondern die Sümmchen fürs Finanzamt zur Seite legen.
Was hatten meine lieben Kollegen gesagt? Erfüll Dir Deine Träume, jetzt hast Du Zeit! Die Zeit, ja – die ist nun nicht das Problem…
Ich war so frustriert, dass ich mich aufs Fahrrad setzte und hoher Geschwindigkeit alle Geschäfte durchstreifte, anprobierte, kaufte und dann vollbeladen zurückfuhr. So, jetzt hatte ich es denen gegeben. Ich lasse mich nicht unterkriegen!
Heiraten wäre noch eine (steuerliche) Option. Aber war ich schon nach 18 Jahren bereit, meinen Lebenspartner zu heiraten? Ich sollte drüber nachdenken. Nun heißt es erst einmal sparen, sparen, sparen. Für das Finanzamt.
Ich durchdachte nochmals die Ratschläge zum Rentenbeginn und fand den klugen Satz: Wenn in die Bewegung unserer Tage Ruhe einkehrt, enthüllen sich die Geheimnisse des Lebens.
Ich griff zum Anzeigenteil der Tageszeitung und überflog die JOBANGEBOTE.
Dorothea Oehlert
Cottbus

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