Rezension: „Märchen im Grand-Hotel“ im Staatstheater Cottbus

„Märchen im Grand-Hotel“ - ein frühes Musical mit einer betörenden Maria-Danaé Bansen als couragierte Millionärstochter Marylou, hier vorm affig-genialen Ballett in KingKong-Kostümen.
„Märchen im Grand-Hotel“ – ein frühes Musical mit einer betörenden Maria-Danaé Bansen als couragierte Millionärstochter Marylou, hier vorm affig-genialen Ballett in KingKong-Kostümen. Foto: Bernd Schönberger

Cottbus. Mancherlei Eigentümlichkeiten umspielen diese letzte Premiere der Saison am Staatstheater Cottbus: Das beginnt mit dem wenig bekannten Komponisten und seiner Genre-Bestimmung: „Lustspiel-Operette“. 1934, als das „Musical“ (mit dem wir es hier eigentlich zu tun haben) in Amerika noch in den Kinderschuhen steckte, schrieben Paul Abraham und seine Librettisten Grünwald / Löhner-Beda die etwas verquere Operette offenbar als Parodie auf das Genre, was zu ihrem schnellen Untergang beitrug. Denn großes musikalisches Hallo auf den Bühnen war in Europa zu Zeiten der Tänze auf dem Vulkan unanfechtbar – zumindest, wenn’s auch einigermaßen gut klang. Das war und ist – eine weitere Eigentümlichkeit – bei „Märchen im Grand-Hotel“ trotz (oder wegen?) „bühnenpraktischer Rekonstruktion“ der Musik nicht unbedingt der Fall. Die Geschichte ist fad, im zweiten Akt geradezu langweilig, und die Musik schleppt sich über die Takte, auch wenn Johannes Zurl im Graben zum fortissimo treibt. Nach alldem die entscheidende Eigentümlichkeit: „Märchen im Grand-Hotel“ schlägt ein, wie der in die Lausitz verirrter Broadway-Knaller! Das Publikum jubelt in die Szenen hinein und mag das Ensemble am Ende kaum von der Bühne lassen. Euphorischer Beifall dankt für einen berauschenden Abend, den eine phantastische Ausstattung ermöglichte, die übrigens großzügig von der hiesigen Sparkasse mitfinanziert wurde. Mit Regisseur und Choreograf Otto Pichler hat das Haus einmal mehr den Besten engagiert, der in Deutschland für solch ein Projekt zu haben ist. Der Meister hat Opern und Operetten in großer Zahl in Wien, Berlin, London und anderswo mit Riesenerfolgen aufgeführt und nun dieses Wunder von Cottbus arrangiert. Der Berliner Jan Fresse gibt ihm eine förmlich mitarbeitende Bühne, die keine Illusion reißen lässt, und mit Mara-Danaé Bansen singt, spielt und tanzt ein Star auf diesen Brettern, dem man amerikanische Musical-Ausbildung zutraut. Doch diese Marylou, Tochter des Filmmoguls aus Hollywood, den Hardy Brachmann sonor verkörpert, kommt aus der Berliner Kunst-Schule, wo sie es, neben Stuttgart und Hamburg, zur gefeierten Erstbesetzung gebracht hat. Sie fühlt sich pudelwohl im Cottbuser Ballett, das hier seine neue Weltklasse endlich auch mal im Musiktheater ausspielen kann und ganz wesentlich zum erstaunlichen Erfolg des Abends beiträgt.
Die Inszenierung ist übrigens nicht gänzlich neu erarbeitet, sondern im Kern vom Staatstheater Nürnberg übernommen worden. Es sind die herrlichen Bilder, die schnellen Szenen, die, ja, durchaus frech-frivolen Kostüme (Falk Bauer), die begeistern, und manchmal auch die schmalzigen Lieder, etwa des liebeskranken Zimmerkellners Jörn-Felix Alt, die Kapriolen des tölpelhaften Prinzen Jens Janke, das vornehme Furzen des Großfürsten Andreas Jäpel oder das Mondäne der Infantin Anna Martha Schuitemaker. Die Geschichte, wie gesagt, bleibt dünn und zäh. Eine Millionärstochter hört von Affären einer entthronten spanischen Königsfamilie, die im Grand-Hotel um ihre Rechnung verlegen wird. Reichlich Ansätze für Verstrickungen, Verwechslungen, Verwirrungen ergeben sich. Thomas Harms, in seiner letzten Rolle nach so vielen in 30 Jahren, versucht als Hoteldirektor Struktur in die Geschehnisse zu bringen, Heiko Walter ist ein seriöser Präsident, Gesine Forberger fängt als Kammerfrau wiederholt schallende Ohrfeigen ein. Schööön! schluchzen alle am Ende, und das Parodistische vom alten Abraham bleibt auf das Gesangsquartet beschränkt, das den Reigen halbmaskiert vor rotem Vorhang eröffnet.
Eine letzte Vorstellung aus dem „Märchen-Hotel“ gibt es am 23. Juni, dann weitere erst wieder in der kommenden Spielzeit. J. Heinrich

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