Holz stemmte sich gegen Wasserkraft / Erste Wehre waren aus Holz gebaut / Erst 1922 folgte Stahl als Baustofft
Mit einer Kopie einer weiteren Ansicht des Neißewehrs notiert Familie Menzel aus Guben einige geschichtliche Fakten auf ihrer Karte: „Den alten Zustand gab es seit 1872. Das Neißewehr war eine Holzkonstruktion vor der Stadtmühle (Seydelsche Mühlen) bis zum Neubau 1922/23. Danach gab es eiserne Schütztafeln direkt an der Massivbau-Neißebrücke.“
Werner Koschack bestätigt diese Angaben und fand weitere Details heraus. Er schildert: „Das Foto zeigt das vorgelagerte Holzwehr zur hölzernen großen Neißebrücke. Es gibt eine Ansichtskarte mit Poststempel vom 8. Mai 1915 in der Sammlung von Andreas Peter. Das Rätselbild könnte ein paar Jahre eher entstanden sein, weil ich das Turbinenhaus vermisse. Dieses Wehr, zusammen mit der Brücke, wurde 1872 neu erbaut. Kostenpunkt zur damaligen Zeit: 156000 Taler. Der Bauherr war der Maurer- und Zimmerermeister Kästner aus Guben. Mehrere Hochwasser 1897 und 1901 brachten die Brücke mit Wehr immer in höchste Bedrängnis. 1921 wurde von der Stadtverordnetenversammlung beschlossen, eine neue massive Brücke und ein massives Wehr mit eisernen Schütztafeln zu bauen. Die Firma Huta aus Breslau bekam den Auftrag. Am 29. Oktober 1922 waren Brücke und Wehranlage fertig.
Nach 23 Jahren wurde dieses schöne Bauwerk am 20. April 1945 von der deutschen Wehrmacht gesprengt. Erst 1954 wurden die Brücke und das Neißewehr von polnischer Seite wieder aufgebaut. Zur Zeit wird das Wehr modernisiert, auch die Fundamente müssen erneuert werden.
Zum Rätselbild sei gesagt, es ist nicht die erste Wehranlage. Schon 1563 gab es die Stadtmühle, die mit neben dem Neißewehr gelegenen Wasserrädern angetrieben wurde. Ein Bild von 1805 zeigt die Neißebrücke, alte Stadtmühle mit Wehr, wiederum Sammlung von Andreas Peter.
Ein Lageplan vom Mühlenwehr gibt es schon aus dem Jahre 1797. Der Heimatforscher Karl Gander schrieb in seinem Buch ‚Geschichte der Stadt Guben‘: ‘1785: Brücke und Wehr durch Hochwasser weggeschwommen. 1804: Großes Hochwasser, Teil der Anlage beschädigt. 1854: erneut Neubau der großen Neißebrücke mit Wehr. 1871: schwerer Eisgang, Brücke und Wehranlage schwer beschädigt. 1872: Neubau des Wehres’ – wie auf dem Rätselfoto zu sehen. Das Wehr und die Brücke waren seit Anfang an bis 1922 stets aus Holz gefertigt.“
Elmar Heilemann erzählt am Telefon: „Die Neißebrücke ist wohl seit jeher eine der beliebtesten Motive unserer Stadt. Diese hier ist aber schon ziemlich alt, ich vermute Anfang der 1920er Jahre. Links ist die Seydelsche Mühle zu erkennen. Der Blick geht also Richtung Osten, dem heutigen Guben. Zu erwähnen ist, dass die heutige Brücke ein Stückchen weiter flussabwärts platziert ist. Auf anderen Luftaufnahmen ist dies gut zu erkennen. Interessant ist für mich als Bauingenieur i.R., wie die baulichen Details der Holzkostruktion gelöst wurden. Danke für das schöne Guben-Bild!“