Begegnung mit Scurla und Alexander v. Humboldt
Es ist nicht überliefert, ob Alexander von Humboldt, nach Goethes Aussage klügster Erdenbürger seiner Zeit, je Cottbus sah. Er lebte, sofern er nicht auf weiten Reisen war, vor allem in Berlin und Paris. Hier in Cottbus aber wurde seine in Deutschland meistgelesene Biografie geschrieben. Bis heute führt „Alexander von Humboldt – Sein Leben und Wirken“, in elf Auflagen in der DDR und mehrfach auch in westdeutschen Verlagen als Lizenzausgabe erschienen, am besten zu Humboldts Welttouren. Herbert Scurla heißt der Erfolgsautor. Er ist in Großräschen geboren und lebte ab 1945 in Cottbus. Im heutigen GWC-Haus in der Berliner / Ecke Lessingstraße saß er (bis 1981) im ersten Stock, blickte auf die quietschende Straßenbahn und folgte Humboldts mutigem Weg durch die Anden-Kordilleren. Er muss ein bisschen wie Karl May veranlagt gewesen sein, dieser Scurla, denn auch er sah die vielen Länder und Regionen nie, in die er seinen historischen Größen folgte. Immerhin konnte er sich auf tausende Briefe und im Falle Humboldts auf dessen in der Staatsbibliothek zugänglichen Hauptwerk „Ansichten der Kordilleren und Monumente der eingeborenen Völker Amerikas“, erschienen auf Französisch in Paris 1810/13, verlassen.
Die Gnade der späteren Geburt und nicht zuletzt die Ereignisse, deren 25. Jubiläum wir jetzt begehen, machen es möglich, dass wir – Scurlas braunen, schon etwas abgeriebenen Ganzleinen-Band, 430 Seiten, 4. Auflage von 1962, im Gepäck – nach Quito aufbrechen. Ehe wir über Frankfurt und Madrid dort ankommen, ist uns der jüngere Humboldt schon herzlich vertraut. Aus Scurlas fundierten Texten und aus den ins Buch montierten (geklebten) Abbildungen.
Alexander von Humboldt, durch üppiges Erbe finanziell völlig unabhängig und wegen seiner Neigung zu Männern auch familiär nicht gebunden, machte sich, wie wir, über Madrid auf den Weg. Wir brauchten 12 Stunden bis Ecuador, Humboldt erreichte amerikanischen Boden (zunächst Kuba) im Sommer 1799 nach einem Monat zur See. Die Vorbereitungen zum Einschiffen dauerten Monate, weil er mehr Ausrüstung packte, als einen Koffer voller Sommerzeugs.
Als Humboldt nach viermonatigem Marsch, teils von Menschen, den Cargueros, auf einem Rückensitz über schmale Pfade durch dichten Urwald getragen, von Kolumbien nach Quito kam, hatte er unser Problem nicht: Die ecuadorianische Hauptstadt liegt knapp 3000 Meter hoch. Die dünne Luft bereitet Menschen, die nicht langsam die Höhe erklommen haben, Atemnot und Kopfweh. Schnelle Schritte sind kaum möglich, das Essen will nicht schmecken – aber nach ein, zwei Tagen gibt sich das. Wir wagen uns auf den Hausberg der Stadt und sehen vor der „Allee der Vulkane“, wie Humboldt diese faszinierende Gegend nannte, eine
Metropole für 2,5 Millionen Menschen, die sich 55 Kilometer weit durchs Andental zieht.
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