Präsident Prof. Dr. Jörg Steinbach erklärt, welche Rolle die BTU beim Strukturwandel spielen kann:
Region. Die technische Universität Cottbus-Senftenberg soll eine Schlüsselrolle beim Thema Strukturwandel in der Region spielen. Seit über einem Jahr ist Prof. Dr. Jörg Steinbach Gründungspräsident der BTU. Im Gespräch erklärt er, dass Technologietransfer eine Pflichtaufgabe einer Universität ist.
Herr Steinbach, wenn es um Ideen zur Bewältigung des Strukturwandels in der Lausitz geht, wird oft auf die BTU verwiesen. Zu Recht?
Prof. J. Steinbach: Neben Forschung, Lehre und Weiterbildung ist Technologietransfer eine Pflichtaufgabe der Universität. Aus unseren Erfindungen entstehen Innovationen und daraus Arbeitsplätze – also Steuerzahler. Diese Steuern kommen dann auch wieder der Forschung zugute. Das ist ein Steuerkreislauf. Eine Universität kann aus einer Erfindung aber nicht allein Innovation erzeugen. Dazu braucht es die Wirtschaft und Kapital. Deshalb ist es ein wichtiger Schritt darüber nachzudenken, wie die Erfindungen außerhalb der Universität zu Innovationen werden und dies dann auch noch eine mit regionaler Wirkung.
Gibt es dafür schon einleuchtende Beispiele?
In Senftenberg ist aus der Multiparameterdiagnostik heraus eine Firma gegründet worden, die am Innovationszentrum in Senftenberg ansässig ist. Hier sind mehrere Patente angemeldet. Ich erwarte auch eine ganze Menge Erfindungen im Bereich der Energietechnik.
Hat die BTU einen Einfluss darauf, dass die erwähnte Innovation in der Lausitz bleibt?
Wir müssen künftig stärker auf das Arbeitnehmer-Erfindungsgesetz achten. Unsere Erfolge müssen auch der Universität zugutekommen.
Inwiefern wird am Thema Strukturwandel gearbeitet?
Die Professoren Dr. Stefan Zundel und Dr. Magdalena Mißler-Behr entwerfen derzeit einen strukturierten Fragebogen an Unternehmen, die mit Vattenfall zusammenarbeiten. Hier geht es um eine Bedarfsanalyse, also darum welche Anforderungen es gibt, damit diese Unternehmen in der Lausitz aktiv bleiben können. Zudem werden alle vorhandenen Potenzialanalysen der vergangenen Jahre für die Lausitz untersucht. Hier geht es ganz konkret darum, welche Ergebnisse in die Tat umgesetzt werden können und ob zuvorderst die Kommunen, das Land, die Wirtschaft oder die Universität für die Umsetzung zuständig sind.
Spüren Sie einen Druck bezüglich der Ansprüche, die von allen Seiten an die Universität gestellt werden?
Dieser Druck ist definitiv da. Viele haben aber falsche Vorstellungen von der Zeitachse, was die zu erwartenden Ergebnisse betrifft.
Das heißt?
Ich habe mir vorgenommen, dass wir nach fünf Jahren sechs Ausgründungen pro Jahr haben.
Wieviel sind es heute?
Ein bis zwei.
Wie kommen Sie denn auf diese fünf Jahre?
Wir müssen diese Gründermentalität in die Köpfe der Studenten bekommen. Diese Arbeit muss vom Boden an wachsen. Während der Lehre muss klar werden, dass am Ende eines wissenschaftlichen Studiums eine Selbstständigkeit stehen kann. Übrigens muss diese Gründermentalität auch in den Köpfen der Professoren vorhanden sein oder entstehen. Wissenschaftliche Reputation und Ausgründungen scheinen oft im Widerspruch zueinander zu stehen. Hier müssen Anreize für die Professoren geschaffen werden. Ich bin optimistisch, dass die Bürger in fünf Jahren sehen, dass aus der Universität heraus etwas für die Region entsteht.
Welche Rolle spielt die Kohle im Strukturwandel-Denken?
In der Region wird das Thema Braunkohle je nach Betroffenheit nur schwarz oder weiß gesehen. Zu schnell werden gesellschaftliche Stempel aufgedrückt. Wir müssen die Kohle neu denken. Aus meiner Sicht ist die Kohle ein Wertstoff, den wir als Ressource ansehen müssen. Das heißt nicht, dass wir sie verheizen müssen. Wichtig ist, diesen Wertstoff in intelligente und umweltverträgliche Wertschöpfungsprojekte einzubringen. Hier stehen wir ganz am Anfang. Wenn wir das Thema Braunkohlezukunft entemotionalisieren könnten, wäre das schon die Hälfte des Weges nach Rom.
Danke für das Gespräch.
Mit dem BTU-Präsidenten sprach Mathias Klinkmüller
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