Bemerkenswerte Sonderausstellung: „Branitz 1945. Das fürstliche Erbe in der Stunde Null“ vom 8. Mai bis 30. September im Marstall und im Park
Cottbus. Publikationen über Schloss Branitz und seine Bewohner enden oft lapidar: 1945 durch die Bodenreform enteignet, die Besitzer vertrieben…
Eine bemerkenswerte Sonderausstellung schaut jetzt, 75 Jahre nach der „Stunde Null“, erstmals genauer hin, betrachtet die gräfliche Familie in der Not von Krieg und Nachkrieg und hebt Personen hervor, deren Wirken zu dem späten Satz führt: „Wieviel Glück hatte dieser Ort!“ Stiftungsdirektor Dr. Stefan Körner bezog ihn diese Woche auf das Schicksal des Fürst Pücklerschen Erbes, das nach der Enteignung und Vertreibung der gräflichen Familie durch frühes und Jahrzehnte anhaltendes Engagement der betroffenen Familie selbst, aber auch besonnen handelnder Personen aus Cottbus, Branitz, der damaligen Brandenburgischen Provinzialregierung und nicht zuletzt der neuen brandenburgischen Politik heute in europäischem Glanze dasteht. Ja, Glück hatte dieser Ort, weil es das einzige aller von Enteignung betroffenen Schlösser im Land ist, das nicht Kinderheim oder Notunterkunft, sondern gleich Museum wurde. Wie alles zuging, erzählt die leider ohne Vernissage gestartete Ausstellung als große Geschichte in kleinen, teils anrührenden Geschichten. „Dabei war die Materiallage anfangs dünn“, bemerkt Kuratorin Dr. Simone Neuhäuser. Sie freut sich, dass abermals die in Bayern und Branitz lebenden Pücklers hilfreich waren. Hermann Graf Pückler (1939-2017), der als Kind in Branitz lebte, hatte unermüdlich die Stiftung unterstützt und Branitz zu einem gesellschaftlichen Ort dieser Region entwickelt. Sein Sohn Maximilian Graf Pückler-Märker bemerkt: „Meine Familie und ich fühlen uns Branitz sehr verbunden. Als Leihgeber von ganz privaten Stücken, wie dem Kriegstagebuch meiner Großtante Ette, wollen wir zeigen, wie die Familie Branitz trotz Vertreibung nie aus ihrem Herzen löschte.“
Diese Tante Luise Henriette, genannt „Ette“, lebte, behördlich peinlich drangsaliert, bis 1947 in Branitz, zuletzt in der Parkschänke (heute Kindergarten). Ihr Tagebuch erzählt von Bomben im Park, und damit beginnt eigentlich der Prolog dieser Ausstellung. Als Cottbus am 15. Februar den infernalischen Bombenangriff erlitt, fielen – heute kaum noch bekannt – auch in Pücklers Reich 25-kg-Sprengbomben. Ein Exemplar schaukelt an festen Ketten vorm Besucherzentrum. Eine amerikanische Luftaufnahme vom 20. Februar 1945 zeigt exakt die Einschläge. Fast 60 bis zu acht Meter weite Trichter hat Parkleiter Claudius Wecke gezählt. Betroffen war auch die Landpyramide; das Schloss und die Nebengebäude blieben unversehrt.
Nach den Bomben kamen die Flüchtlinge, über deren Not „Ette“ schreibt. Dann dies: „Ich habe wohl alles Schreckliche, was passiert ist, erwartet – alle Plündereien, alles. Aber dass sie uns entschädigungslos enteignen würden, das hatte ich nicht erwartet“, schrieb die Tante, die bis 1994 in der Schweiz lebte und im Park Branitz begraben liegt, in ihren Erinnerungen.
Zunächst sollte auch Schloss Branitz, dessen untere Etage schon seit 1943 eine Uniformfabrik war, Waisenhaus werden. Der russische Kommandant wollte 22 Neubauernhöfe auf den Schmiedewiesen anlegen (die Berliner Projektplanung ist in der Ausstellung zu sehen). Aber Forstreferent Ernst Kluge konnte den Russen überreden und Oberbürgermeister Otto Weihrauch (1898-1966) den Potsdamer Minister (ein Brief dokumentiert es). Branitz wurde, weil das Stadtmuseum an der Oberkirche ausgebrannt war, Heimatmuseum, das ganze Ensemble samt Park unter Denkmalschutz gestellt. Am 22. April 1947. Schon seit Sommer 1946 hatte Gustav Hermann mit einem kleinen Stab den Aufbau des Museums begonnen. Rundum war die Not groß, und so lieh er Flüchtlingen und Ausgebombten Inventarteile wie Kisten, Regale oder auch Betten. Als Quittungen stellte er „Leihscheine“ aus, die erhalten sind. Manches, als wertlos verkannt, kam schließlich als „Spät-Heimkehrer“ an: Ein „Feldbett“, das auch als Sessel funktionierte, fand sich in Berlin und wurde wegen das Nachkriegsbezuges zunächst nicht ernst genommen. Doch unter dem neueren Stoff war ein einst vergoldetes Gestell zu erkennen. Fürst Pückler hatte in der Tat ein solches Stück gekauft. Es stand bis zuletzt in seinem Sterbezimmer. Nun ist es hier im Marstall zu sehen, so wie Waffenteile, die im Schlossteich gefunden oder im Park ausgegraben worden sind. Auch eine Torvaldsen-Büste aus dem Blauen Salon, die in den Besitz des DDR-Dramatikers Peter Hacks und von da in französischen Privatbesitz geriet, kehrte heim.
Die „Heimkehrer“ sind ein großes Thema, dem sich Hermann Graf Pückler über Jahrzehnte gewidmet hatte, oft, um glücklich erlangte Rückkäufe der Stiftung als Dauerleihgaben zu überlassen. Wieviel Glück hatte dieser Ort! Auch die wunderbare Pückler-Callenberg-Bibliothek gehört in ihrem Kernbestand zu den Rückkehrern, wenngleich sich bis heute noch mindestens 100 Bände in Moskauer Bibliotheksregalen und weitere anderswo befinden.
Zur Geschichte des Schlosses Branitz gehört inzwischen auch die seit 1955 hier bewahrte und bearbeitete Blechen-Sammlung. Die Kunstwerke waren in den letzten Kriegsmonaten nach Klein Döbbern ausgelagert, von wo sie nicht vollzählig zurückgeholt werden konnten. Erst in diesem Frühjahr durften Cottbuser Kunstfreunde die Heimkehr der Ölskizze „Aus dem Apennin“ feiern.
„Branitz 1945“ ist eine Sonderausstellung“, die sich in das Landes-Themenjahr mit dem sperrigen Titel „Krieg und Frieden. 1945 und die Folgen in Brandenburgs – Kulturland Brandenburg 2020“ einordnet. Der Betrachter braucht Zeit, darf betroffen sein aber wird auch erheitert – etwa, wenn er erfährt und mittels Kaninchenattrappen gezeigt bekommt, wie sieben Hektar Parkwiese zur landwirtschaftlichen Nutzung verteilt wurden – 1,5 Hektar ans hiesige Stadttheater. J. Heinrich
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