Altes Spremberg: Einst Traktoren, später Tanzpalast

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Jetzt ist es an der Fabrik zu lesen: Das Foto wurde in Spremberg aufgenommen

Es gab sie überall in der DDR – die Maschinen- und Traktoren-Stationen, die den Genossenschaftsbauern die Technik vorhalten sollten und in den 50er Jahren auch die ersten sowjetischen Mähdrescher zugeteilt bekamen. Ob in Spremberg, Forst, Guben, Senftenberg oder Cottbus – überall haben Erwachsene und Kinder damals gestaunt, als die Geräte bei den Maidemonstrationen durch die Straßen rollten.
Unser Rätselfoto könnte bei solch einem Anlass entstanden sein. Wahrscheinlich ist aber auch die Annahme von Werner Lehmann aus der Spremberger Karl-Marx-Straße. Er vermutet: „Der Umzug könnte auch mit dem 10jährigen Bestehen der MTS im Jahre 1959 zusammenhängen. Eine MAS (man sprach nach dem Krieg auch im Volksmund statt von Maschinen- über eine Männer-Ausleih-Station) gab es schon als Vorläufer in Spremberg an der Heinrichfelder Allee mit ihrem Sitz der Verwaltung, Technik, Werkstätten, Maschinenhöfe und später mit Kulturhaus. Im Jahre 1952 bekam die MAS den konkreteren Namen MTS.“ Und unser Leser geht auch auf das Werk im Hintergrund ein: „Die Spremberger Tuche erlangten einen guten Ruf und hatten bis 1945 riesigen Absatz in Deutschland und im Ausland. Es entstanden etwa 30 Tuchfabriken, eine Webschule, und gute örtliche Voraussetzungen. Alles trug zur Entwicklung bei. Im April 1945 wurden über 70 Prozent der Fabriken zerstört, und da sie nur noch als Ruine standen, war bald der wirtschaftliche Zusammenbruch herbeigeführt. Drei Werke wurden wieder zum Textilkombinat (VEB) aufgebaut und nach der Einheit wettbewerbsbedingt alles stillgelegt. Die Stadt musste infolge politischer Entscheidung auch den Titel Kreisstadt abgeben.“

Die im Rätselbild gezeigte Fabrik VEB Spremberger Textilwerke wurde bald nach der Wende abgerissen.
Frau Schiebel ist Sprembergerin und mailt aus ihrer neuen Heimat in Hessen: „Wenn ich die Fabrik in der Berliner Straße sehe, bringe ich das in Verbindung mit den sehr lebendig geschriebenen Erinnerungen der Gärtners Karl Erwig, den es am 1. April 1902 nach Spremberg verschlug. Er schildert im NIEDERLAUSITZ-Jahrbuch von 2017 sehr lebendig, wie ihn früh um 6 Uhr das in die Ohren dröhnende Konzert der zahlreichen Spremberger Fabriksirenen’ weckte und so weiter. Schade, dass so viele Arbeitsplätze verloren gingen. Aber es tut sich ja viel Neues in meiner alten Heimat.“
So verwundert es auch nicht, dass jüngere Leser gar nicht an Zwangskollektivierung und Bauernfelder denken, wenn sie MTS lesen. Sven mailt: „Musik-Treff-Spremberg – klar. Aber wo sind die Instrumente oder die Maschine zum Auflegen?“
MTS kennen unsere Leser überall als eine Berliner Rockband, die witzige Auftritte liebte. In Spremberg ist „MTS“ der Begriff für den Ort eines einst kultigen Jugendclubs in der Heinrichsfelder Allee, eben am Standort der MTS.
Nach langem Leerstand ist es dort vor Corona wieder lebendig geworden, erzählt T. Liebig. „Das einstige Kulturhaus gehört, glaube ich, einem Verein, und private Unternehmer haben es gepachtet. Es wäre interessant zu wissen, ob es noch Zeugnisse des früheren Technik-Betriebes gibt. Die Leute auf dem Bild scheinen ja ziemlich stolz auf ihre geschmückten Gespanne zu sein. Vielleicht haben sie sogar eine Kapelle dabei gehabt. Die erst Band vom MTS (MusikTreff Spremberg).“

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Rüdiger Dahnert, der uns das Rätselfoto der Traktorenparade vor den Spremberger Textilwerken überließ, hatte seinem Angebot auch das Gruppenfoto des MTS-Personals (vermutlich aus dem Jahre 1959) beigefügt. Für hohe Erträge auf den Feldern und für den Weltfrieden haben sich die Damen und Herren eingesetzt. Mehr als 60 Jahre ist das her. Erkennt jemand seine Eltern oder Großeltern?

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