Glänzende Stimmen: Anmerkungen zu „Le nozze di Figaro“

Staatstheater
Szenenfoto aus Wolfgang Amadeus Mozarts „Le nozze di Figaro“ (Figaros Hochzeit) am Staatstheater Cottbus – in der Mitte die stolz abweisende Gräfin (Nina-Maria Fischer) und der reumütige Graf Almaviva (Daniel Foki) – für sie gibt es kein Happyend, für den Rest schon (v.l.n.r.): Antonio (Alexander Trauth), Cherubino (Rahel Brede), Barbarina (Anne Martha Schuitemaker), Marcellina (Gesine Forberger), Bartholo (Ulrich Schneider), Susanne (Ketevan Chuntishvili), Figaro (Philipp Mayer) und Basilio (Dirk Kleinke). Fotos: M. Kross

Cottbus. Als Schauspiel war diese gleichermaßen verrückte wie das Adelsgebäude erschütternde Geschichte des Franzosen Beaumarchais im kaiserlichen Wien noch verboten worden. Pech für den legendären Emanuel Schikaneder im Kärtnertortheater. Mozart war so begeistert von dem Stoff, dass er ihn ein Jahr darauf, 1786, ein paar Straßenecken weiter im alten Burgtheater sozusagen im Selbstauftrag musikalisch herausbrachte und auch selbst dirigierte. Und mit welchem Erfolg!
„Le nozze di Figaro“ trat seinen Triumphzug über Prag, Florenz, Hannover und Berlin in Europa an und wurde immer wieder gern italienisch gesungen, obwohl es viele deutsche Übersetzungen gab, eine sogar von Goethes Schwager Vulpius. Auch Cottbus entschied sich für die schöne italienische Musiksprache mit deutschen Übertiteln und zeigt genüsslich den respektlosen Vorgriff der Sitten auf Zustände nach der französischen Revolution. Die steifen Schwellen zwischen Adel und Volk scheinen in der üppigen Farbenpracht und liebestollen Zügellosigkeit der Figuren verschwunden zu sein. Selbst das Recht der ersten Nacht gilt nicht mehr, was dieser bisweilen gar verklemmte Graf Almavia des Daniel Foki zwar akzeptiert, mit dem Charme seines schönen Baritons aber doch zu erlangen hofft. „Will der Herr Graf den Tanz mit mir wagen!“ wird zur Marseillaise der Dritten Standes im gräflichen Bungalow und zum Leitmotiv für Regisseurin Jasmina Hadžiahmetović. Sie gibt den Figuren viel Spielraum und durchaus heutig-begehrliches Verhalten. Lediglich teils weiß getünchte Gesichter und bewusst hinderliche Perücken symbolisieren das Vorgestern. Kostüme und vor allem die Bühneneinrichtung (beides als Einheit von Sonja Füsti und Sabina Moncys) als spartanisch geschachtelter Bungalow auf der Drehscheibe mit modernem Chefsessel statt eines gräflichen Thrones lassen schwer übersehbar die Moralisten der Me-too-Bewegung durch die Vorhänge winken. Wie auch immer: Die Ereignisse eines einzigen Tages überschlagen sich und Johannes Zurl am Pult treibt sie frisch voran, versetzt das Orchester in heiteren Übermut und führt die Sänger mit schwungvollen Signalen seines weit ausholenden Armes. Die Lust an der opera buffa, der Komödie in Musik, umfängt den ganzen Raum, führt endlich das anfangs bedrückte Publikum (die schlimme Zeit!) zu Szenenbeifällen.
So frisch wie die Farben in dieser Ausstattung sind auch die Figuren und ihre großartigen Stimmen. Den Bariton ihres Gemahls auf Abwegen überstrahlt in betörender Leuchtkraft der jugendlich-dramatische Sopran der stolzen, am Ende sich abwenden Gräfin Almaviva von Nina-Maia Fischer als Gast. Sie kommt aus Berlin, hat dort studiert und viele Preise, unter anderem des Rheinsberger Wettbewerbs, gewonnen.
Als Kammermädchen Susanna spielt Ketevan Chuntishvili frech-selbstbewusst und verführt mit lyrischem Sopran gut nachvollziehbar die Männerwelt. Versprochen ist sie an Figaro, den gräflichen Kammerdiener, den Philip Mayer überzeugend gestaltet. Regelrecht begeistern kann Rahel Brede in ihrer Hosenrolle als Page des Grafen. Ihr Cherubino ist eine der herausragenden Leistungen in dieser insgesamt vollkommenen Inszenierung. Der Beifall gilt in gleicher Weise Gesine Forberger als Marcellina, Dirk Kleinke als Basilio und Don Curzio, Alexander Trauth als Antonio, Ulrich Schneider als Bartolo, Anne Martha Schuitemaker als Barbarina und den Damen Aneta Kolton und Sylvia Walter. Auf ein Ballett, das sonst einen Hochzeitstanz anbietet, verzichtet dieses Konzept, während der Chor sehr lebhafte und stimmlich schmeichelnde bis provokante Kräfte entfacht. Christian Möbius hat die Sängerinnen und Sänger gut motiviert.
Die Premiere im endlich wieder fast voll besetzten Haus ist mit großer Begeisterung aufgenommen worden. Es gab lange anhaltenden Beifall und immer wieder Bravo-Rufe, besonders auch für Jasmina Hadziahmetovic und ihr Regieteam. Sie hat leider vor, Cottbus wieder zu verlassen und folgt gemeinsam mit Dramaturgin Katharina Duda einem Ruf ans Tiroler Landestheater Innsbruck.
„Figaros Hochzeit“ aber bleibt hoffentlich in Cottbus auf gutem Weg. Nächste Vorstellungen gibt es am kommenden Donnerstag, 10. März, am 1. April und am 9. Juni, jeweils um 19.30 Uhr, sowie am Sonntag, dem 29. Mai, 19 Uhr.
Der Frage, ob es vor dem Hintergrund des Ukrainekrieges zeitgemäß sei, sich an einer lustvollen musikalischen Komödie zu berauschen, stellte sich Intendant Stephan Märki vor Beginn der Premiere, als er auf die Bühne trat und antwortete: Ja, wir spielen, denn Kunst bringt Licht in die Dunkelheit. Das ist nötig. J. Heinrich

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