Cottbus: Die Straßenbahnen fuhren zu Vorstellungen auch direkt vors Stadttheater

Das prachtvolle Nitschke-Eckhaus.

Straßenbahn
Die Straßenbahn kommt von der Sprem und fährt zum Bahnhof.

Susanne Haupt aus der Inselstraße in Cottbus schreibt am Wahlsonntag: „Wir stehen an der Kreuzung Karl-Liebknecht-/ Ecke Bahnhofstraße. Die Straße links hieß zur Zeit der Aufnahme Kaiser-Friedrich-Straße und führte zum Kaiser-Wilhelm-Platz. In dem schönen großen Eckhaus (jetzt glatt verputzt) befand sich das Colonialwaren-Geschäft Hugo Koenig, heute Sanitätshaus MKC GmbH.“

Burkhard Bender aus der Vetschauer Straße in Cottbus erinnert sich: „Diese Kreuzung war von 1967 bis 1975 Teil meines Schulweges aus der Karl-Liebknecht-Straße, am Theater lang, Drogerie Schäfer, zur Kreuzung beim Lukullus über die Ampel linksrum am Fernsehgeschäft weiter zur 7.POS. Später ging es zur Puschkin-Promenade. Im Gedächtnis ist Lukullus, ein Imbiss- oder Lebensmittelgeschäft, geblieben, später Elektro- und Lampenladen und jetzt ‘monsator’. Gegenüber das Fernsehgeschäft wurde später Ausstellungsfläche und dann Commerzbank. Interessanter sind gegenüber, wo die Tram einbiegt in Richtung Bahnhofstraße / Bahnhofsberg, die Gebäude mit Lotto-Toto-Laden, daneben Nitschke und/oder Snoppek Spielwaren und Briefmarkengeschäft. Und natürlich der ‘Schwan’, mit Broiler-Außer-Haus-Verkauf. Kennt wohl jeder ältere Cottbuser…“

Auch Ramiro Lehmann vom Cottbuser Schulweg ist begeistert: „Wieder eine schöne Aufnahme vom alten Cottbus, vielen Dank. Das Eckhaus zur Bahnhofstraße hat reiche Geschäftstradition.
Schon 1920 hatte der Eigentümer, Kaufmann Alfred Nitschke, seine Filiale für Papier, Schreibwaren und Bürobedarf dort ansässig. Gleichzeitig vermietete er die anderen Geschäftsbereiche an Helene Nevoigt (kunstgewerbliche Handarbeiten) und an die Spindler AG, Färberei und Chemische Reinigung – Filiale Cottbus. Im Laufe der Zeit zogen unterschiedliche Geschäfte ein, bis heute (Sanitätshaus). Es fehlen am rechten Rand die Häuser der Schwanstraße, da diese erst später gebaut wurden. Das Eckhaus Schwanstr./Bahnhofstr., zu DDR-Zeiten bekannt als die chirurgisch-septische Außenstelle vom Krankenhaus, wurde erst 1906 erbaut.
Was mir immer wieder auffällt, dass auf den alten Bildern sehr viel Bäume an den Straßen standen.
Im Anhang ein Bild aus dem Cottbuser Stadtarchiv – Inventar-Nr.: U128-01, eine Glasplattenfotographie von Fritz Unger. Die Qualität hat gelitten, aber man sieht, wie sich die Bäume entwickelt haben.“

An dieser Stelle springt S. Sachse ins Thema: „Ich sah das Unger-Foto des prachtvollen Nitschke-Eckhauses. Herrlich! Der Druckereibesitzer und namhafte Ansichtskarten-Verleger, hat es seinen Erben nachgelassen. Bevor es wegen der Erbteilung um 2.000 verkauft werden musste, wohnte im obersten Geschoss Dr. Michael Nitschke mit seiner Familie. Er war Herzchirurg am damaligen Bezirkskrankenhaus und gehörte zum Kern der ‘Jungen Wilden’, die die Umbenennung in ‘Wilhelm-Pieck-Krankenhaus’ verhinderten. Sie obsiegten, wie man weiß; der Arzt ist leider jung verstorben.“

Negativ-Glasplatte
Von der Pracht blieb nur wenig bewahrt. Das Unger-Foto entstand um 1930. Die Unschärfe links ist auf eine Beschädigung der Negativ-Glasplatte zurückzuführen. Raimiro Lehmann bewahrt einen Abzug dieser Platte in seiner Sammlung.

Manfred Gnida vom Spremberger Weinberg weiß: „Die Straßenbahn in Cottbus ging am 18. Juli 1903 in Betrieb und machte die Eröffnungsfahrt vom Staatsbahnhof zur Oberkirche. Im Foto kommt die Bahn auf dieser Strecke aus der Kaiser-Friedrich-Straße und biegt in die Bahnhofstraße zur Fahrt zum Staatsbahnhof, heute Hauptbahnhof, ein. Einen Hinweis zur Stadtsituation gibt das prächtige rechte Eckhaus. Zur Zeit der Aufnahme befand sich darin die Colonialwarenhandlung von Hugo Koenig. Noch vor Beginn des II. Weltkrieges war darin das Geschäft des Hausbesitzers, Druckers und Postkarten-Verlegers Alfred Nitschke, bekannt auch für Handel mit Papiererzeugnissen und Zigarren. Leider bekam das Haus Anfang der 1960er Jahre ein schlichtes Ansehen, und ich kenne noch das Geschäft mit Handel von Briefmarken u.s.w. darin. Es folgten im Anschluss daneben Spielwaren, Lotto, Blumen und Frisör, wie ich es in Erinnerung habe. Nach der Wende war hier ein Bertelsmann-Buchhandel. Nicht im Bild ersichtlich das gegenüber befindliche Eckgebäude, vielen durch Besitzer- und Namenswechsel als das ‘Hotel zum Schwan’ oder Geissler in Erinnerung ist.“

Genau überlegt hat der Cottbuser Herbert Ramoth: „Die Gleisführungen der Straßenbahn sind für mich der Schlüssel zur Lösung des Foto-Rätsels: Die Straßenbahn auf dem Foto kommt aus der damaligen Kaiser-Friedrich-Straße (jetzt Karl-Liebknecht-Straße) – das ist auch die Blickrichtung des Fotografen (B) – und biegt in die Bahnhofstraße ein, zur damaligen Zeit ein sogenannter Straßenbahn-Kreuzungspunkt. Gut zu erkennen ist auf dem Foto noch das Straßenbahngleis, das geradeaus am Theater vorbei weiter bis zum Spreewaldbahnhof führte. Der Betrieb dieser Straßenbahnlinie wurde allerdings nach elf Jahren wieder eingestellt. Das auf dem Foto abgebildete markante Eckgebäude ist das Geschäfts- und Mietwohnhaus des bekannten Cottbuser Druckereibesitzers und Verlegers Alfred Nitschke. Die Druckerei befand sich in der Schwanstraße. Die Ansichtskarte „Gruß aus Cottbus“ – sicher auch ein Produkt aus der Druckerei Alfred Nitschke – ist eine gelungene Präsentation städtebaulicher Baukunst in Cottbus vor mehr als 100 Jahren und Werbung zum Besuch dieser schönen Stadt in der Lausitz.“

Klaus Reiter hat die Koordinaten ebenfalls perfekt erfasst. Er schreibt: „Dieses traumhafte Eckhaus gibt es so leider nicht mehr. Wir sehen das prächtige Haus des Verlegers und Druckers Alfred Nitschke. Vorher war es ein Kolonialwarengeschäft von Hugo Koenig, eine Papierhandlung, eine Tapisserie (Bildteppiche), ein Schokoladengeschäft und in Zigarrengeschäft. Ab 1960 wurde die Fassade nur noch glatt und einfach gestaltet. Mehr ließ die staatlich beherrschte Materialwirtschaft nicht zu. Nach der Wende war ein toller Briefmarkenladen drin, wo ich auch etliches gekauft habe, danach die Bertelsmann Buchhandlung und jetzt ein Sanitätshaus. Links daneben war ein Spielzeugladen, dann der Lottoladen, dann kamen das Blumengeschäft und der Frisör. Das Foto muß um 1910 (vor 1906, d.Red.) entstanden sein, ab 1914 ist die gelbe Linie eingestellt worden, sie führte zum Spreewaldbahnhof. Eberhard Witzke aus der Calauer Straße in Cottbus fasst sich diesmal kurz und liefert den Schlusssatz: „1903 gab es diese erste Straßenbahnlinie vom Bahnhof über die Spremberger Str. bis zum Altmarkt in Cottbus.“

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