Cottbus: Von Gummi-Asbest bis zur alten Loge

Leser zeichnen das lebhafte Bild einer heute gewandelten Kreuzung.

 Bahnhofstraße
Blick auf eine Tram in der Bahnhofstraße

Der Blick aus einer Seitenstraße hat Cottbuser Leser gefesselt. Michael Kordon aus der Hans-Sachs-Straße schreibt kurz und bündig: „Die Straßenbahn fährt, leicht geneigt, dem Bahnhofsberg entgegen. Der Blick aus der Adolph-Kolping-Straße erfasst hinten das ehemalige Kammerspieltheater. Das Foto dürfte über 60 Jahre alt sein. Vor 30 Jahren entstand an der Stelle des Kiosks das Gebäude der Sparda-Bank.“

Auch Jörg Bude orientierte sich richtig: „Der Trabant steht in der heutigen Adolph-Kolping-Straße, auszumachen an den markanten Hauseingängen links. Hinter der Straßenbahn sind die ehemalige Kammerbühne und das heutige Fahrradhaus Heßlich. Aber auch ich hätte eine Frage. Zu welchen Gebäude gehört(e) der Turm im Hintergrund?“ Eine Antwort darauf enthält der Text, den S. Sachse mailt: „Der Blick geht über die Bahnhofstraße zu einem Haus, das heute schöne Wohnungen enthält, aber größten Bedeutungsverlust erlitt. Gebaut wurde es für die Cottbuser Loge ‘Zum Brunnen in der Wüste’, eingeweiht im Mai 1908. Hier hielt Oberbürgermeister Paul Werner vor den Honoratioren der Stadt die Festrede zur Eröffnung des Stadttheaters im Oktober des gleichen Jahres. Die Nazis verboten die Loge. Auch die Stadt-Nazis waren rabiat, rissen das Museum ab, ein Palais, das Großkaufmann Liersch der Stadt am Neumarkt vererbt hatte, und verlagerten Teile des Bestands ins Logenhaus. Nach 1945 gab es verschiedene Nutzungen. Den Hauptteil belegte der lokale Ableger des DDR-Rundfunks, im Seitenteil links war viele Jahre lang der Eingang zur Kammerbühne des Staatstheaters. Ich bin mir nicht sicher, ob wir im Rätselbild das Türmchen sehen, das anfangs die Dachmitte der Loge mit einer Kupferhaube krönte, oder ob das schon der überdimensionierte breite Schornstein ist, der nötig wurde, als es nur noch Braunkohle gab, um das große Haus zu beheizen.“

Von etwa dem damaligen Standort des Fotografen hat Dieter Leubauer einige Fotos gemacht. Eines haben wir ausgewählt. Er schreibt „Wir befinden uns in der Wilhelm-Külz-Straße (dieser Teil heißt jetzt Adolph-Kolping-Straße) und sehen auf der Bahnhofstraße einen Straßenbahntriebwagen, der entweder vom Bahnhof oder vom Krankenhaus kommend Richtung Stadtzentrum fährt. Er versperrt uns etwas die Sicht in die weiterführende Wilhelm-Külz-Straße. Dort rechts befand sich eine Drogerie, links ein Gebäudekomplex mit der Kammerbühne und dem Sendestudio Cottbus von Radio DDR.“

Adolph-Kolping-Straße
Die Rätselbild-Perspektive heute, aktuell aufgenommen von Dieter Leubauer. Er blickt aus der Adolph-Kolping-Straße in die Bahnhofstraße, wo eine Bahn der Linie 2 Richtung Jessener Straße fährt.

Lothar Haase aus der Cottbuser Spreestraße hat und ein Fax geschickt: „Die vom Typ ‘Gothaer’ fährt über die Kreuzung Bahnhof-/Külzstraße. Direkt links neben dem Trabant befand sich lange das Geschäft von Gustav Richter – weit und breit bekannt als Gummi- und Asbestmanufaktur. Was es nirgends gab, das gab es hier. Hinter der Straßenbahn ein Kiosk, von dem ich glaube, es war die Geschäftsstelle von Lok Raw Cottbus, denn alle Gebäude zum Bahnhofsberg waren Reichsbahngebäude. Im hohen Gebäude hinten, erbaut 1908, hatte bis 1935 die Freimaurerloge ihr Domizil. Danach war es ein Landesmuseum und später DDR-Rundfunkstation sowie Nebenstelle des Stadtheaters. Rechts von der Straßenbahn im Eckhaus gab es bis 2011 die Bahnhofsdrogerie von Annemarie Jatzlauck, auch Frau Bitteschön-Dankeschön genannt. Über sie gibt es eine interessante Fotodokumentation vom Kunstmuseum Dieselkraftwerk.“

Jens Pumpa aus Cottbus meint: „Bei der Straßenbahn müsste es sich um die Linie 1 handeln. Sie verkehrte zwischen Bahnhof und Altmarkt auf einer Strecke von 1,7 Kilometern. Außer der Linie 1 fuhren alle anderen (2, 3 und 4) mit zwei Beiwagen. Von 1903 bis 1977 verkehrte die Straßenbahn über die Bahnhofsbrücke und dann eine Rampe zur Haltestelle Bahnhof zwischen den Gleisen zum alten Bahnhofsgebäude. Im Hintergrund, in der Wilhelm-Külz-Str. 11, erkennen wir links das ehemalige Studiogebäude von Radio DDR II, Sender Cottbus. Daneben befand sich über Jahre die Kammerbühne. Heute sind Wohnungen in diesem Gebäude.“

Gertraude Homann aus Cottbus erkennt: „Der Trabant steht in der Adolf-Kolping-Straße (so heißt sie heute). Wir befinden uns auf dem östlichen Teil der damaligen Wilhelm-Külz-Straße, der Blick geht zur Bahnhofstraße. Ich habe lange überlegt, aber im Gedächtnis geblieben ist mir der kleine Pavillon Ecke Bahnhofstraße / Wilhelm-Külz-Straße, der früher als Zigarettenladen und Lottoannahmestelle genutzt wurde.“

 Logenhaus
Das Logenhaus, hier in einer Aufnahme von 2010 vor dem letzten Umbau, hatte einst auf dem großen Dach ein Türmchen mit Kupferhaube. Ganz links im Anbau war der Zugang zur Kammerbühne. Der Zaun vorn gehört zur Villa des Reichsbahn-Kindergartens.

Burkhard Bender aus der Vetschauer Straße in Cottbus hatte bis 1995 seine Arbeitsstätte als Dispatcher des Reichsbahnamtes im Haus Bahnhofstraße 52 und kennt sich daher gut aus: „Es ist zweifelsfrei die Kreuzung Bahnhofstraße / Wilhelm-Külz-Straße, anscheinend noch ohne Ampel- schaltung. Das Stopp-Schild hat auch noch die alte Form bis 1979. Die Straßenbahn damals fuhr auf ausgefahrenen Gleisen und Bettung, hat manch mal ganz schön gewackelt. Der kleine Trabi steht in Höhe des ehemaligen Gummi-und-Asbest-Ladens, wo es zuweilen viel Nützliches zu kaufen gab.
In dem Gebäude davor an der Kreuzung links befand sich eine Drogerie Krüger. Gegenüber gab es einen Krämerladen, erst Fa. Willke, dann Walter, später Lotto-Annahme-Laden. Davor das Gebäude war vor dem Krieg das ehemalige Hotel ‘Kaiser-Adler’, lange Zeit auch Bürogebäude und Kantine der Deutschen Reichsbahn zu DDR-Zeiten. Viel bekannter ist gegenüber die Cottbuser Bahnhofsdrogerie von Frau Annemarie Jatzlauk aus Kolkwitz. Von 1953 bis 2011 war sie in der Drogerie, ab 1963 selbst Inhaberin. Und auch dort gab es zu kaufen, was es woanders nicht immer gab. Ihr außergewöhnliches Leben hat der Fotograf Thomas Kläber über sieben Jahre, bis zu ihrem Tod 2013, begleitet. Den Cottbusern ist sie bestimmt noch als ‘Frau Bitteschön-Dankeschön’ im Herzen bekannt. Gegenüber das ehemalige Kulturhaus der Eisenbahner mit öffentlicher Bibliothek und Kino im Erdgeschoss, nach der Wende auch mal Sparda-Bank. An der Ecke ein kleiner Pavillon, war auch mal Lotto-Lädchen. Gegenüber dem Kulturhaus gab es einen Fleischer, erst Höhne, dann Schulz, Bahnhofstr. 31. Jetzt Antiquitäten. In der Külz-Straße 11 wäre von damals noch die Kammerbühne zu erwähnen, wo sich auch der Sender Cottbus befand. Gegenüber in einer Villa war die Reichsbahn-Krippe. Und wo jetzt ein Fahrrad-Center ist, gab es einen Menü-Laden.“.

Klaus Reiter erinnert sich ebenfalls an Geschäfte: „Ganz links im Haus Nr. 8 befand sich ein Laden für Metallwaren und Gummidichtungen, man hat wirklich jede Größe bekommen. Die Häuser links wurden alle saniert nach der Wende. Im hinteren Teil ist die ehemalige Freimaurerloge ‘Zum Brunnen in die Wüste’ zu sehen. Sie wurde am 28.1.1797 gegründet und durch eine Verordnung am 16.7.1935 geschlossen. Seit 1993 ist sie wieder aktiv. Ab 1957 nutzte das Staatstheater den Ort als Kammerbühne mit vielen Veranstaltungen. Nach der Wende zogen sich das Theater und der ORB, Studio Cottbus, aus dem Haus zurück. Jetzt sollen Wohnungen und Gewerbeeinheiten dort sein. Rechts im Eckgebäude Bahnhofstraße 30 war ein vornehmes Hotel; das wurde 1945 schwer beschädigt.“

Eberhard Witzke aus der Calauer Straße in Cottbus beobachtet: „Die Gotha-Straßenbahn fährt in der Bahnhofstraße Richtung Innenstadt. Auf der linken Straßenseite sieht man die ehemalige Kammerbühne und dahinter das Gebäude des ehemaligen Radiosenders Cottbus, heute ist es ein Wohnhaus. Dahinter hat Lutz Heßlich seinen Fahrradladen. Dann folgt auch der ehemalige Spreewaldbahnhof, Abfahrts- und Endpunkt der Bimmelguste.“

Zuletzt noch Reinhard Semt, der feststellt: „Der PKW hinter dem Trabant steht vor dem Geschäft der ehemaligen Gummi-Asbest-Manufaktur. Das dominierende Gebäude hinter der Straßenbahn wurde abgerissen. Es verdeckt fast ganz ein noch existierendes großes Gebäude, aus meiner Erinnerung wohl eine ehemalige Loge.“
Danke allen, nicht alle Zuschriften konnten wir drucken, aber unsere Leser zeichneten wieder ein schönes Gesamtbild.

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