Foto zeigt Geschäftshäuser in der Amtsstraße, die abgerissen wurden
Gerda Henschel schreibt: „Der Fotograf stand auf dem Wilhelm-Pieck-Platz – dem heutigen Friedrichplatz. Im Vordergrund sind es Häuser in der Amtstraße und der Straßenverlauf in der Mitte zeigt die Jägerstraße. Das Geschäft des Richard Mieck war für mich von der Kindheit an von Interesse. Daneben gab es noch weitere kleine Läden, ein Blumengeschäft, Damenmode bei Johanna Speer und für mich zeitweise sehr wichtig mein „Butterkonsum“ mit Frau Schmiedeberg. In den Jahren ab 1964 war die Butter knapp, Lebensmittelkarten waren aber schon lange abgeschafft.
So musste sich jede Familie in einem Lebensmittelgeschäft eintragen lassen. Dort konnte man dann in der Woche 200 Gramm oder 250 Gramm Butter pro Person kaufen. Mein Mann war damals bei der NVA. Manchmal hat Frau Schmiedeberg die 50 Gramm von meinem Stück nicht abgeschnitten, denn für den Soldaten bekam ich offiziell keine Butter.
Alle Bauten auf dem Foto sind in den Zeitraum abgerissen worden und machten Platz für die Plattenbauten. Ein Teil davon wird in den nächsten Jahren nun erneut „rückgebaut“, in Richtung Markt sind schon einige verschwunden.
Aus der Jägerstraße möchte ich einige Gebäude erwähnen. Rechts befand sich die Stadtbrauerei, mehrere Wohnhäuser und eine Gaststätte, die zuletzt ein Fischrestaurant war. Vielleicht zeigt der Aufsteller mit dem Fisch dorthin. Links war die Wäscherei Hackenschmidt und eine Tischlerei. Dahinter mündete die Sternstraße, die aus Richtung Stadtkirche kam.
In einem Wohnhaus befand sich ein Wäschekaltmangel. Dort haben wir unsere Wäsche gerollt, denn wir wohnten am Ende der Jägerstraße, die bis zum Ernst-Hammer-Platz führte.
Gespannt darf man sein, wie dieses Areal um Stadtkirche, Markt und Amtstraße in einigen Jahren aussehen werden.“
Eine schlaflose Nacht bescherte das Rätselbild bei Anita Stressig. Sie erzählte am Telefon: „Links das ist mein Elternhaus. 26 Jahre haben wir in diesem Haus gelebt. Das ist Amtstraße 6. Es ist ein Geschäftshaus mit sieben Schaufenstern gewesen. An der Fassade steht Richard Miek, das war mein Vater. Meine Eltern sind etwa 1936 hier eingezogen. Vorher war es ein Bekleidungshaus für Erwachsene und Kinder mit Schneiderstube, in die ich gern als Kind zum frühstücken gegangen bin. Damals hatte das Haus noch nicht so viele Schaufenster. Der Eingang war nach dem Umbau in der Jägerstraße.
Links neben den drei großen Schaufenstern in der Amtstraße folgen zwei weitere Schaufenster. Das gesamte Geschäft war mit Parkett ausgelegt. Das Obergeschoss war unsere Wohnung mit Schneiderstube und Büro. Wir haben mit Haushaltswaren gehandelt, Teller, Schüsseln, Besen – alles was man im Haushalt brauchte. Glaswaren, Lederwaren, Taschen, Hundeleinen, Schlüsseltaschen, eine Elektroabteilung mit Waffeleisen, Bügeleisen Lockenstab, Kühlschränken, Gasherden. Dann kam die große Abteilung Spielwaren – die Sensation für Kinder. Hier gab es alles, was das Kinderherz erfreute, auch Kinderwagen. Zu DDR-Zeiten war es ein sehr beliebter Laden, weil die Menschen hier vieles bekamen. Der Abschluss jedes Jahr war der Verkauf der Silvesterknallerei.
Das Geschäft musste am 31. Dezember 1973 geschlossen werden. Im Januar war Inventur, im Februar mussten meine Eltern ausziehen. Das gesamte Areal war zum Neubaukomplex erklärt worden. Im Mai 1974 wurde das Haus gesprengt. Ich habe auf dem Friedrichsplatz gestanden und bitterlich geweint, als es in sich zusammen fiel. Auch die Nachbargebäude wurden weggerissen.
Rechts, wo der Traktor steht, das war die Drogerie Seidel. Zuletzt wurde sie von einem Herrn Wegeleben geführt, dem ist ein Missgeschick passiert: 1972 hatte er Wachs zum Erwärmen auf die Gasheizung gestellt und vergessen. Das Wachs hatte sich verflüssigt, lief in die offene Gasflamme. Die gesamte Drogerie brannte aus. Es war tragischerweise auch noch in der Weihnachtszeit. Die Flammen schlugen aus den Schaufenstern so hoch, dass wir Angst um unser Haus hatten. Die Wohnung über der Drogerie wurde auch beschädigt.
Im selben Haus daneben befand sich ein Textilgeschäft Johanna Speer, diesem Geschäft ist erstaunlicherweise durch den Brand nichts passiert.
Meine Eltern haben sich nach dem Zwangsauszug eine Villa in der Otto-Nuschke-Straße 10 gekauft. Das Geschäft hatten sie nicht weitergeführt, mein Vater war ja schon 73, ich selbst bin in einen Neubau gezogen.
Die Villa habe ich am 1. Juli 1987 der Stadt zur Verwaltung übergeben. Heute steht sie leer und verfällt zusehens.”