Ein Findling für den Stadtgestalter / Bahnhofstraße in Notstandsarbeit erbaut / Kind in Lore fast verunglückt
Anette Schade teilte uns am Telefon mit: „Das Bild zeigt die Bahnhofstraße von der Stadt aus gesehen. Auf der linken Seite ist die Himmelsleiter (Treppe) zum Bismarkturm. Als Kind habe ich dort mit meinen Freunden immer Hasche gespielt, und beim Sport mussten wir dort hochrennen.Sie ist immer noch sehr beliebtes Gebiet zum Spazierengehen. Die Treppen wurden saniert. Die Hecke vorn im Bild unterhalb der Treppe gibt es nicht mehr.“
Werner Lehmann mailte uns: „Das Foto zeigt auch den Fernando Tietz-Stein und könnte eine Aufnahme Ende der 20er Jahre sein. Die Straße hieß zu DDR-Zeiten auch Straße der Jugend und wurde als Notstandsarbeit – Beschäftigung von über 500 Erwerbslosen – nach 6 Monaten Baudauer zum Dezember 1926 geschaffen. Die gefahrvolle Georgenstraße wurde entlastet, der kürzeste Weg zum Bahnhof ist damit geschaffen.
Der Findling als Gedenkstein für F. Tietz wurde nach dessen Tod 1912 und nach Vollendung der Ausschattung und des Durchstiches des Berges an dieser Stelle am Fuße der Treppe wieder neu gesetzt. F. Tietz hatte seine Villa in der Bergstraße, führte die Stadtapotheke und war im Stadtrat tätig. Bekannt besonders als Vorsitzender des damaligen Verschönerungsvereines. Dem Verein und besonders ihm ist es zu verdanken das der Turm 1903 entstand. Für die Verschönerung der Stadt und ihrer Umgebung hat er sich immer finanziell für das Anlegen von Wanderwegen auf den Höhenzügen entlang der Spree von den Kuthen bis nach Wilhelmsthal u.v.a. eingesetzt!
Neben dem Wahrzeichen der Stadt wurde 1932 das Ehrenmal für die im 1. Weltkrieg Gefallenen, also auf dem Bismarckplatz, eingeweiht und 1958 als Gedenkstätte für die Opfer des Faschismus umgestaltet. 1932-1933 wurde die Teichanlage mit Grüngürtel am Schloss geschaffen.“
Elli Nietzschmann schreibt: „Das ist meine Lieblingsstraße, die Bahnhofsstraße. Die Treppe führt zum Bismarckturm. Der Stein von Fernando Tietz steht immer noch.“
Peter Zühlke notiert zur Entstehungsgeschichte: „Als 1866 Spremberg mit der Eröffnung der Eisenbahnlinie Berlin-Görlitz Bahnstation wurde, führte der einzige Weg zum Bahnhof durch die steile Georgenbergschlucht und die Kirschallee. Dieser Zustand dauerte 70 Jahre. Als erste Maßnahme erfolgte der Georgenbergdurchstich 1926, wobei rund 500 Erwerbslose, zumeist Arbeiter aus der Tuchindustrie, beschäftigt wurden. Rund 400?000 Kubikmeter Erdmassen mussten dabei bewegt werden. Nur zum Teil fanden sie zur Dammaufschüttung Verwendung. Ein erheblicher Teil wurde zur Auffüllung des Geländes an den Ölstreuchern abtransportiert. Die Eröffnung der Straße ließ aber noch einige Jahre auf sich warten, obwohl 1927 bereits der Brückenbau über die kleine Spree vollendet war. Erst 1933, nach Abriss der Häuser in der Kupfergasse, wurde die Verbindung zum Markt hergestellt. Der Findling am Fuße des Berges wurde bei Ausschachtungsarbeiten am ehemaligen Westbahnhof 1907 freigelegt und erinnert an Fernando Tietz. Zu diesem Promenadenweg gehört auch der getreppte Aufgang zum Georgenberg, der von den Sprembergern Himmelsleiter oder Schlüpfersteg genannt wird. Dieser steile und serpentinenartige Aufgang ist der kürzeste, aber auch der schwierigste Weg zum Georgenberg.“
Dorothea Böhrenz ergänzt zum Bau: „Mit dem Bau verbindet sich eine Geschichte, die meine Schwiegermutter, heute 97 Jahre alt, erlebt hat. Sie war mit ihrem kleinen Bruder Gunter, 1925 geboren, zum Spielen an der Baustelle und setzte den kleinen Kerl in eine Lore. Plötzlich fuhr diese talwärts in die Erdgrube. Aber die große Schwester konnte Schlimmeres verhindern, so dass die Geschichte noch gut ausging.“
Manfred Gnida bestätigt viele Details und ergänzt unter anderem: „1951 wurde der südöstliche Teil des Georgenberges einschließlich der beiden Hänge unter Naturschutz gestellt. Früher befand sich oberhalb ein Pavillon, der 1931 vom ‘Männergesangverein 1835’ gestiftet wurde. Aus Überlieferungen sollen hinter dem Tietz-Stein 1943/44 Stollen durch Kriegsgefangene in den Berg getrieben worden sein, wo er im April 1945 vielen Zivilisten als Zufluchtsort vor den Ereignissen des Krieges dienste. 1946 oder schon Ende 1945 erfolgte die Beseitigung der Stollen. Zeitzeugen gibt es heute nur noch wenige.“